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Sorgt euch nicht um morgen!

Sorgt euch nicht um morgen!

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Corona hat uns voll im Griff, nach wie vor. Jede Woche müssen wir neu gucken: Wie geht es weiter? Aber gleichzeitig denke ich im Moment auch oft: Wie wird es nach der Krise sein? Soziologen entwerfen Zukunftsszenarien, manche davon sind sehr optimistisch: Wir werden wiederentdeckt haben, was Solidarität bedeutet. Wir werden diejenigen mehr wertschätzen und besser bezahlen, die während der Krise ihren Kopf hingehalten haben. Wir werden gestärkt aus dieser Krise hervorgehen!

Gestärkt und geläutert durch die Krise?

Dieser positive Blick in eine letztlich ungewisse Zukunft muntert mich auf. Obwohl: Vielleicht wird ja auch der Egoismus stärker werden, vielleicht wird unsere Wirtschaft den Bach runtergehen, vielleicht werden viele Menschen sterben. Wenn ich mir vorstelle, wie schlimm es werden könnte, macht mir das eine Gänsehaut - und lähmt mich auch irgendwie. Ich merke: Solche dystopischen, negativen Phantasien bringen mich nicht weiter, die ziehen mich eher runter.

... oder im Teufelskreis der ängstlichen Gedanken

Natürlich: Es ist gerade jetzt notwendig, sich Gedanken zu machen, Gefahren in den Blick zu nehmen, damit wir sie vermeiden können. Ohne Planungen, Schutzmaßnahmen und Konzepte würden wir im Chaos versinken! Wenn aber die Sorgen um die Zukunft unkontrollierbar werden, spricht man in der Psychologie von einer Angststörung. Dann denke ich ständig an das, was kommt, weil mir das ein diffuses Gefühl der Kontrolle vermittelt – und ich habe Angst, keine Angst mehr zu haben, denn dann könnte ja alles einfach so über mich hereinbrechen, mir sozusagen der Himmel auf den Kopf fallen! In Wahrheit bewirkt das übermäßige Sich-Sorgen-Machen genau das Gegenteil: Meine Sorgen vergrößern meine Angst, und die Angst vergrößert meine Sorgen. Ein Teufelskreis.

Ich kann und soll Sorgen ernst nehmen und Gefahren vermeiden. Aber ich darf meine Ängste und Sorgen auch nicht überhand nehmen lassen – das lähmt mich sonst.

Von der Skepsis zur Hoffnung

Jesus wusste das. Und er wusste auch, wie leicht man in so einen Strudel der negativen Gedanken geraten kann. In seiner berühmten Bergpredigt ruft er deshalb den Leuten zu: „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen.“ (Matthäus-Evangelium 6,34). Das ist stark, finde ich – und auch ganz schön provozierend. Ich stelle mir diese Menschenmenge vor, die ihm zuhört. Wie er da steht, mittendrin. Um ihn herum die ganz normalen, einfachen Leute mit den ganz normalen alltäglichen Sorgen. Die Hoffnung in ihren Augen, vielleicht auch eine Prise Skepsis. Und dann findet dieser Wanderprediger Worte, die die Leute verstehen. Er sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie.“ (Matthäus-Evangelium 6, 25-26)

Lernen von den Vögeln und den Lilien

Jesus kennt die Lebenswelt seiner Zuhörer. Der Alltag war für viele entbehrungsreich und hart. Die Gedanken mussten viel um die Arbeit kreisen, um die Plackereien der Landwirtschaft, um das Ernährenkönnen der Familie. Zu kurz gekommen ist da sicher oft der Blick auf das Schöne, was schon da ist: die Sonne, die Energie spendet, der Regen, die üppige Schönheit der Natur. Auch das ruft Jesus den Leuten in Erinnerung, wenn er sagt: „Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen“ (Mt 6,28b-29).

Kleidung, Nahrung, Wohnung – selbst darum brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Sagt Jesus. „Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? (…) Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben. Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen.“ (Mt 6,28b-34)

Sich trauen zu vertrauen

Ganz ehrlich: Da fühle ich mich fast schon ertappt. Da glaube ich doch an diesen Gott, von dem Jesus hier erzählt – und mache mir trotzdem so viele Gedanken: zum Beispiel darum, wie mein Kind den Einstieg ins nächste Schuljahr schaffen soll nach dem langen „Homeschooling“. Oder darum, wie wir die Arbeit in der Pfarrei während und nach Corona organisieren.

Ja, ich mache mir Sorgen um die Zukunft – um die Zukunft meiner Familie, meiner Kirche, der Gesellschaft. Wenn ich aber Jesus sagen höre: „Euer Vater im Himmel weiß, dass ihr das alles braucht“, dann entspannt mich das auch. Wenn ich meinen Blick jetzt im Frühling über die blühende Natur schweifen lasse, sehe ich: Ja, es stimmt, Gott sorgt für uns! Er sorgt dafür, dass das Leben stärker ist, sich durchsetzt – und dass es mir an nichts fehlen wird, was ich wirklich brauche.

Hier und jetzt leben

Solange ich in meiner Phantasie düstere Zukunftsbilder male, kann ich das aber gar nicht sehen. Dann ist mein Blick auf diese Welt wie verschleiert - da kann die Sonne noch so wundervoll scheinen. Jesus appelliert dagegen an seine Zuhörerinnen und Zuhörer: Lebt, im Hier und Jetzt! Habt weniger Angst! Habt Vertrauen in die Zukunft! Seht auf die guten Dinge, die schon da sind!

Ich versuch das: Ich schau immer wieder ganz genau in die Natur und freue mich daran: am blühenden Baum vor unserer Tür, an den wachsenden Tomaten im Kübel auf dem Balkon. Und ich bete - ganz bewusst auch dafür, dass in dieser Krise Gerechtigkeit herrscht und die Armen und Schwachen besonders im Blick bleiben (vgl. Matthäus-Evangelium 6,33). Mir hilft es – gerade auch dann, wenn die Sorgen kommen -, wenn ich mich ganz bewusst auf meinen Atem konzentriere. Für andere ist es gut, Musik zu hören. Und wieder andre nehmen sich Zeit zur Meditation. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, um bewusst in der Gegenwart anzukommen. Wenn ich spüre: „Ich bin jetzt da“, dann erlebe ich auch immer wieder: „Gott ist jetzt da. Er sorgt für mich. Ich bin geborgen. Ich kann nicht tiefer fallen als in seine Hand.“

Wir sind geborgen

Diese Gewissheit macht es mir leichter, zuversichtlich die Zukunft zu erwarten und darauf zu vertrauen: Gott ist da – und er geht mit. Nach der Krise wird die Welt eine andere sein – und auch ich werde eine andere sein. Gott nimmt mir nicht all meine Sorgen und Ängste, aber er verlässt mich auch nicht. Seine Botschaft lautet: Lasst euch nicht kaputt machen von euren Sorgen! Ich sorge für euch.

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