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Großelterntag - Anna und Joachim
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Großelterntag - Anna und Joachim

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg
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Zu den schönsten Ferienerlebnissen meiner Kindheit gehörten Unternehmungen mit meinen Großeltern. Eisenbahnfahren, ein Picknick zwischen Strohballen, Entenfüttern im Schlosspark oder ins Kaufhaus gehen und Rolltreppe fahren.

Unübertroffen aber waren Übernachtungen bei Oma und Opa. Was zu Hause tabu war, war dort oft möglich. Insgeheim hatte ich als Kind die Ahnung, dass verantwortlich dafür nicht etwa mangelnde Absprachen waren. Dahinter stand eher eine unausgesprochene Übereinkunft der beiden Elterngenerationen. Ferien bei den Großeltern waren Auszeiten vom Alltag. Eintauchen in eine andere Welt.Meine Großmutter kochte natürlich die Lieblingsgerichte des Enkels. Gemeinsam haben wir Wäsche gebügelt, gespielt, gelesen, Rätsel gelöst, im Märchenbuch geblättert. Im Keller stand eine Tischtennisplatte, draußen lockte der Garten mit seinem grünen Rasen. Abends saßen wir zusammen im Wohnzimmer und hörten einen Krimi als Hörspiel im Radio.

Bei einem solchen Aufenthalt zog am Abend draußen ein Unwetter auf. Ich erinnere mich gut. Vom Wohnzimmer aus ging der Blick weit ins Tal. Es war schon dunkel. Aus dem doppelt düsteren Himmel zuckten die ersten Blitze, krachender Donner schloss sich an. Mein Großvater stand auf. Er nahm mich mit nach draußen auf die Terrasse. Mit der ausgestreckten Hand zeigte er auf die Blitze: "Was für ein Naturschauspiel, großartig!", kommentierte er. Seine Augen, sein ganzes Gesicht strahlten von Neugier und Begeisterung. Er sprach von Wolken und Spannung, die sich entlädt. Er erklärte mir, wie man durch den Abstand von Donner und Blitz die Entfernung des Gewitters berechnet.

Was für ein Erlebnis! Und so ganz anders als zu Hause. Dort war es üblich, bei Gewitter eine Kerze anzuzünden. Oft wurden die Rollläden heruntergelassen, Licht und elektrische Geräte ausgeschaltet. Manchmal hatten meine Eltern auch mit uns Kindern gebetet, wenn ein Gewitter besonders bedrohlich polterte.

Das Gewittererlebnis mit meinem Großvater hätte gegensätzlicher nicht sein können. Intuitiv wusste ich, dass ich davon zu Hause besser nicht erzählen sollte. Die Aufenthalte bei den Großeltern hätte das gefährden können. Dass man ein Gewitter so unterschiedlich auffassen kann, hat mich als Kind fasziniert. Staunen hier - Beten dort. Wissenschaft und Glauben. Gegensätze? Nein. Sie sind Geschwister. Zwei Möglichkeiten der Welt zu begegnen. Sie schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich. Das habe ich damals begriffen. Als mein Großvater viele Jahre später starb, zeigte sein Gesicht dieselbe Faszination, denselben Ausdruck von wacher Neugier wie damals beim Gewitter. Der Tod hatte für ihn nichts Furchtbares.

Heute ist der Gedenktag der Heiligen Joachim und Anna. Die Tradition sieht in ihnen die Eltern der Gottesmutter Maria, die Großeltern von Jesus. Heute ist also quasi ein Großelterntag, denke ich. Eine gute Gelegenheit für ein Dankeschön an all die Großeltern, die für ihre Enkel so wichtig sind. Sie machen eine Dimension mehr möglich - auf vielfältige Weise. Wie gut, dass es sie gibt.

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