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Das is´ aber nur geliehen
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Das is´ aber nur geliehen

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen
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Teil 1 

„Das is´ aber nur geliehen!“ – mit ernster Miene und wie ein kleiner Geschäftsmann gibt der 5-jährige seine Spielzeug-Bohrmaschine aus der Hand. „Das is´ nur geliehen! Wenn ich die wiederhaben will, gibste die mir aber sofort zurück!“ Klare Ansage. Sein gleichaltriger Kumpel nimmt die Leihgabe richtig ehrfürchtig und vorsichtig entgegen. „Un´ nix kaputtmachen!  Versprochen?!“ Handschlag. „Versprochen!“ Deal zwischen zwei Kindergartenkindern. „Das giltet jetzt!“, wie man in Nordhessen sagt. Die wissen, wie´s geht: Das mit dem Verleihen und Leihen. Kinderleicht eigentlich, wenn man die Regeln beherzigt.

Wenn sie älter sind, können sie bei „Leih-dir-was.de“ mitmachen. Da kann man sich zum Beispiel echte Bohrmaschinen ausleihen. Einfach das, was man sucht eingeben und gucken, ob´s jemanden in der Nähe gibt, der´s mir für wenig Geld ausleiht. Oder man stellt etwas ein, was man verleiht: Die Zapfanlage für´s Fest – steht ja sonst nur rum, denn wer feiert schon ständig? Das passende Fahrrad für die Urlaubstour lässt sich hier finden: E-Bike-Leasing sozusagen. Das Ganzkörper-Hasen-Kostüm für Ostern. Wer weiß, vielleicht findet sich für mich als Pfarrer auch ein Leih-Talar, wenn meiner in die Reinigung muss? „Leih-dir-was!“
Es funktioniert aber wohl nicht immer mit dem Leihen und Zurückgeben:
Der vergleichbare englischsprachige Service „happy-lending.net“ ist inzwischen eingestellt. Und das obwohl er die Nutzer immer auch gleich automatisch an die Rückgabe erinnerte oder die Verleiher daran, wo man gerade was von seinen eigenen Sachen im Umlauf hat.

Eigentlich müsste es das mit dem Leihen und Erinnert-werden nicht nur für die Kategorien „Bücher“, „Elektronik, „Haus und Garten“ oder „Kleidung“ geben. Es gilt ja auch für andere Bereiche.
Unter der Rubrik „Geliehen“ steht ja genau genommen auch unser Leben. Ab und an täte mir eine Erinnerungsmail gut: Leben. Verleiher: Gott. Ausleiher: Norbert Mecke. Verliehen mit der Geburt am 4. 9. 1967. Ich habe da etwas in Gebrauch, was nur geborgt ist.

Gott hat „happy lending“ – das fröhliche Ausleihen – schon immer im Programm. Mit einem geliehenen Leben sitzen wir auf einem geliehenen Fleckchen Erde und verbringen geliehene Zeit. Wir tun nur gerne so, als sei das alles unser Besitz.

Auf Dauer Geborgtes geht ja manchmal stillschweigend in die eigene Habe über. Das Raclette-Gerät meiner Eltern z. B. steht schon länger bei uns als je bei ihnen. Aber wenn wir selbst etwas Wertvolles verliehen haben, geht´s uns anders. Da schauen wir schon, wie man damit umgeht und wann und wie es wieder in unsere Obhut kommt: „Un´ nix kaputtmachen!“

Wenn Gott der fröhliche Verleiher meines Lebens und Lebensraums ist, wird´s ihm genauso gehen. Er stellt´s gerne zur Verfügung. Kinderleicht ist´s. Und doch wichtig, die Regeln zu kennen: Sorgsam mit dem geliehenen Leben umgehen. Im Bewusstsein haben, dass  wir – nur die „User“, die Anwender und Benutzer von alledem sind. Dafür gibt er gerne die Lizenz. Und hofft auf Handschlag und „Deal“…

Teil 2

Gibt´s Geschäftsbedingungen, AGBs für unser von Gott geliehenes Leben? Manchmal ist das ja so bei Leasingverträgen: Hört sich alles gut und günstig an, aber dann hat´s das Kleingedruckte in sich. Ein Bekannter von uns hat seinen schicken Wagen ganz oft mit der Begründung in der Garage gelassen, dass er ja nicht zu viele Kilometer fahren will und nichts drankommen darf. „Sonst wird´s zu teuer. Ist ja nur auf Zeit gemietet!“.

Nein, so soll es mit dem Leben nicht sein. Wenn Gott es uns großzügig anvertraut, sollen wir nicht knickerig damit umgehen. Das Leben ist nichts für die Garage. Es soll raus. Gottes Geschäftsbedingung lautet, dass wir es einsetzen sollen.

Jesus erzählt dazu passend einmal von Dreien, die eine Menge geborgt bekommen. (Mt 25,14ff) Der Wunsch des Verleihers ist: „Macht was draus!“ Der erste setzt´s ein und verdoppelt es. Der zweite ebenso. Ich denke an den jungen Besitzer der Spielzeug- Bohrmaschine. Was hätte der Luftsprünge gemacht, wäre sein Kumpel gekommen und hätte gesagt: „Hier: Deine Bohrmaschine zurück. Und noch ´nen Spielzeug-Bauhelm obendrauf. Hab´ ich für Dich rausgeholt!“ Und wie enttäuscht wäre der Knirps gewesen, wenn er seine Leihgabe völlig verdreckt wiederbekommen hätte, weil sein Kumpel sie vor lauter Angst vorm Benutzen bis zur Rückgabe vergraben hätte?! Genau das machte der Dritte, vom dem Jesus erzählt. „Ich fürchtete mich und vergrub, was Du mir anvertraut hast. Hier hast Du´s wieder!“ – „Nein!“, sagte Jesus. „So ist das nicht gedacht, wenn Gott etwas anvertraut. Einsatz ist gefragt!“

Das Leben ist im Grunde nicht „nur geliehen“. Es ist uns verliehen. Wie eine Ehrung oder eine Medaille. Klar, die bekommt man normalerweise als Belohnung, wenn man etwas Großes getan hat. Bei Gott sind aber manchmal die Geschäftsbedingungen anders als bei uns üblich: Er sieht in uns schon etwas Großes. Deshalb verleiht er das Leben.
Und wir können als Geehrte nun dieser Ehre wert leben. Wer erst um einen Preis kämpfen muss, tut das gegen andere. Wer weiß, dass ihm den Podestplatz keiner mehr streitig machen kann, kann sich für andere einsetzen.

Gottes „happy lending“ soll uns in Sachen fröhliches Leihen und Verleihen anstecken: Gerne anderen die eignen Gaben zur Verfügung stellen. Zeit großzügig verschenken im Mit- und Füreinander. 
Und: Daran mitwirken, dass das Anvertraute nicht kaputtgemacht wird – weder das Geschenk des eigenen Lebens noch die Freiheit, die Gott den Menschen um mich herum gewährt und auch nicht die Welt, die er uns zur Verfügung stellt.

Was könnten Sie anderen bei Gottes großem „Leih-Dir-was“ anbieten?
Ein wenig mehr Ihrer Zeit für den Partner oder ein Kind?
Etwas von Ihrer Habe oder Ihrer Gabe?
Vielleicht fällt Ihnen ja gleich jemand ein, dem Sie damit gut täten? 

Teil 3 

„Das is´ aber nur geliehen!“. Manchmal macht einem der Gedanke im Blick auf die eigene Lebenszeit auch ganz schön Bange:

Dass uns das Leben nur verliehen ist, das manches, was Menschen so sicher zu haben scheinen, vergeht, erschüttert.

Da sehe ich eine Frau nach ein paar Jahren wieder. „Na, wie geht´s daheim?!“ Und sie antwortet: „Ach, Sie wissen noch nicht, dass sich mein Mann von mir getrennt hat?! Ich musste aus dem Haus. Die Familie ist zerbrochen. Dabei hatten wir so eine gute Zeit!“

Da erlebe ich wie ein alter, scheinbar schon überwundener Streit zwischen einer Mutter und ihrer Tochter wieder aufbricht. „Wir reden jetzt gar nicht mehr! Ich weiß nicht mal, wie es ihr geht.“

Da besuche ich Menschen, die vor kurzem noch scheinbar alles in der Hand hatten. Und dann ein Fehltritt, eine schlimme Diagnose und nichts ist mehr wie früher.
Und wie sehr nagt der Tod von Männern und Frauen, deren Lebenszeit viel zu früh abgelaufen ist, an uns!

Da bleibt oft abends der Gedanke: Und auch Du, mein Freund, lebst nur vermeintlich sicher! Schon morgen kann alles anders sein. Alles nur geborgt! Selbst Kinder, Beruf, Gesundheit und schöne Augenblicke wie dieser Sonntag. Auch das Fleckchen Erde, auf dem ich lebe: Geliehen! Ob das nochmal einen ganz neuen, bislang noch gar nicht groß bedachten Aspekt der Flüchtlingsfrage benennt: Leihweise habe ich hier „mein Land“, meinen Wohlstand, meine Lebensbedingungen. Sicher, wir tun was dafür. Aber am Ende ist es doch nur geborgt. Etwas, um es weiter zu teilen: „Hier, aber geh bitte sorgsam damit um. Denn ich mag dieses Land und unsere Lebensbedingungen!“ Ja, dafür bin ich dankbar. All das ist aber weder in einem letzten Sinne „meins“ noch allein für mich reserviert. Ich darf es jetzt gerade genießen – Gott sei Dank!
Mein Herz soll sich gerne an dem Geliehenen freuen, aber hängen soll es am Verleiher: Weil er mir alles anvertraut. Da muss mir nicht bange sein: Er bleibt, und seine Beziehung zu mir ist nicht „gestundet“, sondern hat alle Ewigkeit.
Wann ich welchen Teil des Geborgten teilen oder ganz zurückgeben muss, weiß ich nicht. Aber Gott hält mir seine Zukunft offen.

Sonntags flattert uns seine Erinnerungs-Nachricht ins Haus:
„Lieber Leiher! Genieß´, was Du hast. Und lass es andere genießen.
Schreib Dir ins Herz: Alles ist nur geliehen, wie etwas Geborgtes. Aber meine Liebe, die ist Dir verliehen wie eine Ehrung. Die wird Dir nie genommen. Dadurch bist und bleibst Du ausgezeichnet.
Und nun zeichne Dein Denken und Handeln durch diese Liebe aus:
mit Liebe zu diesem Tag, und zu denen, die um Dich herum sind.“

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