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Ein Hoch auf die Heiligen des Alltags
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Ein Hoch auf die Heiligen des Alltags

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt

Ich stehe an der Kasse beim Supermarkt und warte. Die alte Frau vor mir will bezahlen. 12 Euro 43 kostet ihr Einkauf. Ich werde nervös beim Zuschauen, sie scheint das Bezahlen einfach nicht hinzukriegen. Laut redet sie mit sich und der Kassiererin: „Wieviel muss ich zahlen? Und wieviel ist das? Ich kann das gar nicht erkennen…“ Jetzt hält sie auch noch ihren Geldbeutel hin und kippt das Kleingeld aus. Ich werde langsam ungeduldig und frage mich: Wieso zählt sie erst jetzt das Geld und: hat sie keine EC Karte? Aber die Kassiererin: Die bleibt ganz ruhig, als ob die Frau die wichtigste Kundin seit hundert Jahren ist.

Plötzlich denke ich: Warum reg ich mich eigentlich so auf? Und wie klasse, dass diese Kassiererin so geduldig bleibt! Eigentlich ist sie für mich eine Art Heilige des Alltags. Weil sie geduldig alles mitgemacht hat. Erst den Geldbeutel abwarten. Dann das Kleingeld auskippen. Und Abzählen. Und dann auch noch ruhig abwarten, bis die Summe stimmt. Vielleicht findet auch sie das gar nicht so toll, das lange Warten aufs Bezahlen. Aber das findet die alte Frau auch mal garantiert nicht. Vermutlich sieht sie nicht mehr gut und hat aus lauter Scham bisher mit Scheinen gezahlt. Jetzt sind nur noch die Münzen im Geldbeutel. Und die Geheimzahl der Karte hat sie schon wieder vergessen.

Ein Hoch auf die Heiligen des Alltags. Die etwas selbstverständlich machen, was Gelassenheit, Geduld und auch Liebe braucht. Etwas, was ich mir manchmal wünschen würde. Der Autofahrer zum Beispiel, der mich an der engen Stelle durchgelassen hat, obwohl er Vorfahrt hatte. Und der dann auch noch freundlich gewinkt hat, als ich vorbeigefahren bin. Oder die Kollegin, die nach dem Unterricht die Schülerin zu sich gebeten hatte, um vor der Arbeit die Schwierigkeiten in Mathe zu erklären. Und der es egal war, dass sie jetzt eine Stunde länger in der Schule geblieben ist. Oder auch: die Erzieherin im Kindergarten. Die das schreiende Kind tröstet, das sich nicht von der Mutter trennen will.

Ich wünsche mir viele Heilige des Alltags und auch ein wenig Heiligkeit für mich. Ich wünsche mir, dass andre mich trösten und mit mir Geduld haben. Und ich versuche das jetzt auch wieder öfter: mit anderen Geduld zu haben. Zum Beispiel beim nächsten Mal an der Supermarktkasse, wenn es mal wieder vor mir etwas länger dauert. Und ich wünsch mir, dass das Beispiel macht. Damit die Heiligen des Alltags auch alltäglich werden.

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