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Wunsch - Wirklichkeit - Weihnachten
picture alliance/dpa | Boris Roessler

Wunsch - Wirklichkeit - Weihnachten

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Sprecherin: Nicole Abraham

Drei häufige Wünsche für Weihnachten

Wunsch und Wirklichkeit. An Weihnachten treffen die beiden aufeinander. Und das kann ganz schön knistern.

Drei häufige Wünsche für Weihnachten lauten:

Entspannt soll es werden. Auf der Arbeit und im Haushalt ist vorher alles gut erledigt. Essen und Geschenke sind eingekauft. Der Besuchsplan ist geregelt. An alles und alle wurde rechtzeitig gedacht.

Der zweite Wunsch: Harmonisch soll es werden, ein Fest der Familie und der Liebe. Die Beteiligten sollen sich ein wenig zusammenreißen und lieb zueinander sein.

Und schließlich: Warm ums Herz soll einem werden. Mit Kerzenschein und Weihnachtsschmuck. Stimmungsvoll im Wohnzimmer und auch in der Kirche.

Eigentlich ein bisschen so, wie man sich das Leben immer wünschen könnte.

Natürlich fehlt immer irgendetwas

Soweit die Wünsche. Die Wirklichkeit sieht nicht selten anders aus: Natürlich ist auf der Arbeit und im Haushalt nicht alles erledigt. Viele stolpern aus dem vollen Stress in die Weihnachtstage hinein.

Natürlich hat man irgendetwas vergessen, und irgendetwas klappt nicht so, wie man es sich vorgestellt hat.

Mütend

Und natürlich sind die Familienmitglieder so, wie sie nun mal sind. Man hat sie sich schließlich nicht ausgesucht. Alle Fettnäpfchen und Streitpunkte, die es im Alltag gibt, sind auch an Weihnachten da. Und nicht allen gelingt es, geschickt um sie herum zu feiern.

In diesem Jahr kommt wieder die Pandemie dazu. Sie bringt vieles Gewohnte durcheinander und setzt unangenehme Grenzen. Viele sind deshalb nicht entspannt, sondern im Gegenteil dünnhäutig. Mütend - dieses neue Kunstwort aus müde und wütend finde ich treffend.

Maria und Josef hatten auch ihre Wünsche

Das alles passt sehr gut zur Weihnachtsgeschichte in der Bibel. Josef und Maria, das junge Paar in Nazareth, die beiden hatten bestimmt auch ihre Wünsche, wo und wie ihr Kind zur Welt kommen soll. Die Geburt sollte behütet, gut betreut und in gesicherten Verhältnissen stattfinden.

Das Letzte, was eine Hochschwangere braucht, ist auf einem Esel zu sitzen und 100 Kilometer lang von Nazareth bis Bethlehem durchgeschüttelt zu werden.

Das Letzte, was ein werdender Erstvater braucht, ist auf sich alleine gestellt die Niederkunft seiner Frau zu begleiten. Und das Letzte, was ein empfindliches Neugeborenes braucht, ist ein kalter und dreckiger Stall, in dem sich noch Tiere befinden.

Das Wünschen lässt sich nicht vergraulen

Aber genauso ist es Maria und Josef ergangen. Der Kaiser befiehlt im fernen Rom: Alle seine Untertanen sollen an ihren Herkunftsort an einer Volkszählung teilnehmen. Darum müssen Josef und die hochschwangere Maria von Nazareth nach Bethlehem. Denn daher stammt Josef. Eine schwierige Lage kurz vor der Geburt. Wunsch und Wirklichkeit liegen manchmal weit auseinander.

Aber davon lässt sich das Wünschen nicht vergraulen. Unverdrossen flammt es zu Weihnachten auf. Auch bei der Sängerin Celine Dion. Sie singt ihre Freude auf das Fest in einem Weihnachtssong heraus: „The Magic of Christmas Day“ – die Magie des Weihnachtstags.

Musik: Celine Dion, The Magic of Christmas Day

Sprecherin: Schmückt die Hallen mit grünen Zweigen, es ist Zeit, um fröhlich zu sein. Und um  dankbar zu sein für alles, was wir haben. All die Lichter und Dekorationen - hängt sie auf in Erwartung des freudigen Festes, das auf dem Weg ist. Wir zählen die Tage, bis es Zeit ist für den Weihnachtstag.

Wunsch und Wirklichkeit. An Weihnachten treffen die beiden aufeinander. Und das kann ganz schön knistern. So erleben das viele – heute wie früher. Bis hin zu Maria und Josef, dem jungen Paar in der biblischen Geschichte, die in einem Stall bei Betlehem ihr Kind bekommen. Was macht ihre Geschichte so bedeutsam, dass sie in der Bibel steht? Bis heute wird sie in allen Weihnachtsgottesdiensten lebendig. Warum?

Im Dreck kommt Gott zur Welt

Weil ausgerechnet dieses unbedeutende Paar in dieser bedrohlichen Lage und in diesem schäbigen Stall Gottes Sohn zur Welt bringt. Da, wo nichts perfekt ist, sondern im Gegenteil: Alles ist improvisiert und im Dreck. Da will Gott Mensch werden.

Die Menschen sollen sehen: Gott setzt sich allem aus. Wo Menschen hilflos sind, müde und wütend - mütend. Wo Wunsch und Wirklichkeit hart aufeinander prallen, da wird Gott Mensch. Darum geht es bei Maria und Josef mit ihrem Jesuskind. Sie sind eine Bildgeschichte über die Liebe Gottes, die bei den Menschen sein und ihnen Glanz verleihen will.

Himmlischer Glanz trifft auf Hirten

Dieser himmlische Glanz trifft als erstes auf einfache Hirten. Sie hocken draußen nachts auf dem Feld, als Engel zu ihnen kommen und sie nach Bethlehem rufen. Aus der Ferne lockt ein Stern auch Sterndeuter herbei.

Mehr Zeugen gibt es nicht. Sie eilen zu dem einfachen Stall. Sie sehen, was da Bedeutendes im Unbedeutenden geschieht: Weihnachten. Nicht, weil irgendjemand es so großartig vorbereitet hätte, sondern weil Gott es geschehen lässt.

Weihnachten ist für alle da

Und weil Menschen geistesgegenwärtig genug sind, sich davon berühren zu lassen. Die Hirten und die Sterndeuter erleben mit, wie sich Gott den Menschen zuwendet. So radikal, wie es nur vorstellbar ist, indem er selbst Mensch wird.

Das tragen sie anschließend in die Welt. In alle Welt. Dort gehört diese Botschaft auch hin. Denn sie gilt für alle, die es hören und erleben wollen. Allen gilt Gottes Segen. Weihnachten ist für alle da.

Ich kann Weihnachten geschehen lassen 

Wie klingt das? Einerseits entlastend. Ich muss Weihnachten nicht machen. Ich kann es geschehen lassen. Das ganze Weihnachtsfest ist, wenn man so will, ein einziges großes Geschenk.

Was an diesem Fest der Liebe wirklich wichtig ist, das ist ohnehin bereits geschehen: Gott hat seiner Liebe Menschengestalt gegeben, in Jesus Christus. Damit es alle sehen können.

Wie? Liebe für alle?

Aber da beginnt auch ein Unbehagen: Wie? Liebe für alle? Wirklich für alle? Auch für die Dummköpfe und Quertreiber? Erst einmal ja. Celine Dion hat es wunderbar ausgedrückt im Refrain ihres Songs “The Magic of the Christmas Day“.

Musik: Celine Dion, The Magic of Christmas Day

Sprecherin 2: Gott segne jeden einzelnen von uns, die guten und die schlechten, die glücklichen und die traurigen. Gott segne jeden einzelnen von uns, hier bei Familie und Freunden. Es ist schön, wieder hier zu sein.

Celine Dion singt hier heraus, was die Bibel schreibt: Gottes Liebe gilt allen, ohne Unterschied der Person. Wer das für sich gelten lässt, wird allerdings etwas merken: Gottes Liebe verändert einen. Vielleicht schafft das nur sie. Darauf setzt Gott und hat dabei eine Engelsgeduld.

Druck raus, Freiraum rein!

Wie kann sich das heute auswirken? Vielleicht indem man sich vor Augen führt: Weihnachten ist das Fest der Liebe, aber nicht das Fest der Perfektion. Niemand ist perfekt, das Fest nicht, die Gäste nicht, ich selbst auch nicht. Und niemand muss es sein. Das nimmt viel Druck aus diesen Tagen und es schafft Freiraum dafür, dass sich das Fest der Liebe auf seine Art entfalten kann.

Gottes Segen gilt allen, den guten und den schlechten, den glücklichen und den traurigen. Das klingt erst einmal sehr schön, gerade an Weihnachten. Aber es ist auch eine Zumutung.

Wenn das stimmt, dann gilt Gottes Segen auch dem Jugendlichen, der mit seiner lauten Musik die Weihnachtsklänge vertreibt. Dann auch dem Enkel, der seine Trotzphase genau jetzt auslebt. Und der Tante, der mit ihren schrägen Ansichten wortgewaltig die Gespräche dominiert.

Alles klaglos hinnehmen an Weihnachten?

Muss man das alles klaglos hinnehmen an Weihnachten? Ich finde: nein. Aber ich erinnere mich selbst daran: All diese Störenfriede stehen auch unter Gottes Segen. Das verändert meine Perspektive. Und das verändert hoffentlich, wie ich mit ihnen spreche.

Statt genervt vielleicht mit einer freundlichen Bitte um etwas Mitgefühl. Und das kann auch sie verändern. Denn Gottes Liebe bleibt nicht folgenlos.Vielleicht wirkt sie nicht gleich. Dann kann man die Tür zumachen und Weihnachten anders geschehen lassen.

Wünsche können zu inneren Zwängen werden

Vielleicht geht Weihnachten so: Sich nicht an die Wünsche klammern. Denn sie können zu inneren Zwängen werden, wenn sie der Wirklichkeit nicht standhalten.

Und sich nicht nur der Wirklichkeit ausliefern. Besser ist es, den Blick zu weiten für die Liebe, die da ist. Nur eben anders als erwünscht. Weihnachten einfach geschehen lassen - wie Maria und Josef. Wenn das gelingt, braucht es nicht den Glanz eines perfekt inszenierten Weihnachtsfestes.

Dafür muss der Enkel nicht das brave Kind spielen und gegenüber der wortgewaltigen Tante muss man sich nicht auf die Zunge beißen. Das Essen muss kein teurer Festschmaus sein. Dafür muss die Familie nicht harmonisch sein. Die Welt wird  nicht auf einmal friedlich werden und das Virus nicht über Nacht verschwinden.

Gott segne alle - die guten und schlechten, die glücklichen und traurigen

Aber die Hoffnung darauf kann ich hochhalten. Denn von all dem lässt sich das Christkind nicht abhalten. Damals nicht und heute auch nicht. Es ist einfach da. Und in ihm auch Gott.

Das schwingt für mich mit in dem Song von Celine Dion: "Gott segne jeden einzelnen von uns, die guten und die schlechten, die glücklichen und die traurigen."

Musik: Celine Dion, The Magic of Christmas Day

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