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Was ist Gerechtigkeit?

Was ist Gerechtigkeit?

Pia Arnold-Rammé
Ein Beitrag von Pia Arnold-Rammé, Katholische Pastoralreferentin, Referentin für Sozialpastoral, Frankfurt
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Drei Jungs haben eine Blockflöte. Einer hat sie selbst gebaut. Einer kann sie als einziger spielen. Und der dritte im Bunde ist sehr arm und hat sonst kein Spielzeug. Wer soll die Blockflöte bekommen? Fragt man Menschen auf der Straße, sagen die Meisten: der, der sie gebaut hat. Manche sagen auch: der, der sie als Einziger spielen kann. Niemand meint, dass derjenige sie bekommen soll, der sonst kein anderes Spielzeug hat. Ist das gerecht? Was ist gerecht in diesem Fall?

Es ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt: Mit der Gerechtigkeit ist es gar nicht so einfach. Ich denke, es gibt keine klare und einfache Lösung: genau das ist gerecht und genau das ist ungerecht! In diesem Fall und in vielen anderen realen Fällen des Lebens muss man abwägen, verschiedene Argumente betrachten, mit anderen sprechen, was sie meinen, was genau in dieser Situation gerecht sein kann.

„Schreiende Ungerechtigkeiten“, die gibt es schon. Aber viele Situationen sind komplex und unklar. Sie können nur im gemeinsamen, oft mühsamen Ringen entschieden werden. Das gilt für Fragen der Gerechtigkeit im persönlichen Leben, in der Familie, aber erst recht in Gesellschaften oder zwischen Staaten. Das ist anstrengend, viele haben keine Lust mehr für diese Mühen des Alltags. Da treffen die großen Vereinfacher, die wir zur Zeit erleben, auf viel Zustimmung. Einer  sagt wo's langgeht, einer räumt auf, einer wird’s richten, einer weiß, was gerecht ist. Ich glaube nicht, dass das so funktioniert, dass das gerecht ist - vor allem nicht nachhaltig, auf längere Sicht. Da sind doch die Kompromisse, die wir aushandeln, viel tragfähiger. Wenn eine Lösung gefunden wird, bei der alle Beteiligten nachher sagen können: das ist gerecht! Das ist doch eine prima Sache. Das hält doch viel länger und überzeugt viel mehr. Da lohnt sich der Diskurs, auch wenn er oft mühsam ist und viel Zeit braucht. Die Mühe lohnt, so meine ich.

Und beim Beispiel mit der Blockflöte finde ich, dass der Junge sie bekommen soll, der sonst kein Spielzeug hat. Dann hat er wenigstens eine Flöte. Und spielen lernen ist ja auch nicht so schwer.

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