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Um-Rücken
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Um-Rücken

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Der Sekretär aus Weichholz ist wunderschön. Er hat viele kleine Fächer und große Schubladen, die Schreibunterlage eignet sich hervorragend als Ablageplatz. Aber wir ziehen um. In die neue, etwas kleinere Wohnung kann er nicht mit. Zu groß, zu sperrig, auch ein bisschen zu abgeliebt. Also, ab ins Geschäft, in dem mein Mann das gute Stück vor 20 Jahren für viele tausend Euro erstanden hat. Nehmen sie es zurück, verkaufen sie es für uns? Der Verkäufer schaut mitleidig. „Niemand möchte heutzutage Weichholzmöbel. Wir haben den ganzen Speicher voll davon“, erklärt er. Aber er ist nett und gibt einen Tipp: „Versuchen Sie es im Internet. Vielleicht bekommen Sie ein paar hundert Euro!“

Nein, das machen wir nicht. Das hat das schöne Stück nicht verdient. Der Entschluss steht fest: Wir nehmen das große Teil mit, stellen es in den Keller oder suchen sonst eine Lösung. Der Tag ist da, die Möbelpacker schleppen und schleppen, dazwischen fragen sie: Wo soll das hin? Ja, wohin bloß? Der Keller ist noch nicht benutzbar. Den Sekretär bitte jetzt erst mal an die Wand im Wohnzimmer, zwischen die zwei großen Fenster.

Tage später sitzen mein Mann und ich auf der neuen Couch. Die Sonne scheint. Der Sekretär strahlt. Wir auch. Am nächsten Tag kommen langjährige Freunde mit Salz und Brot zur kleinen Einweihung. Ihr Blick fällt auf das Weichholz-Möbelstück. „Der ist aber schön, wo habt Ihr den denn gekauft?“ Die Antwort, dass er 20 Jahre lang in unserem alten Wohnzimmer gestanden hat, irritiert sie ein bisschen.

Die Dinge brauchen manchmal eben nur einen anderen Platz, um eine neue Wirkung zu entfalten. Menschen sind zwar keine Dinge, aber ich finde, in gewisser Hinsicht gilt das auch für sie. Es gibt Menschen, die wirken sperrig, scheinen nicht reinzupassen. Und dann kommt einer und rückt sie an die richtige Stelle und sie entfalten, was sie sein können.

Jesus hat das oft praktiziert. Er speist mit dem unsympathischen neureichen Zachäus, dem Zöllner. Er redet mit Samaritern, die man damals zu einer üblen Sekte rechnete. Er lässt sich von einer stadtbekannten Sünderin berühren und salben. Er zeigt, dass ein Mensch noch ganz anders sein kann. Daran versuche ich zu denken, wenn mir jemand zu groß, zu sperrig oder allzu bekannt vorkommt. Wer weiß, wie er oder sie noch wirken kann.

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