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Sexueller Missbrauch - Krise und Chance
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Sexueller Missbrauch - Krise und Chance

Patricia Nell
Ein Beitrag von Patricia Nell, Katholische Pastoralreferentin und Religionslehrerin, Frankfurt

Ich weiß es von mir selbst: Wenn man mit seinen Schwächen und Fehlern konfrontiert wird, dann tut das weh! Man bekommt dadurch aber auch die Chance, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Dann nämlich, wenn man sich ehrlich mit sich und seinen Denk- und Verhaltensweisen auseinandersetzt. Die Katholische Kirche hat das lange versäumt. Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in einem ungeahnten Ausmaß sind ans Licht gekommen. Ich habe vor ein paar Jahren Betroffene seelsorglich betreut und weiß, was es heißt, ein solches Trauma erlebt zu haben. Manche von ihnen konnten nie mehr ein normales Leben führen, sind deshalb lebenslang abhängig von allen möglichen Hilfen und von staatlichen Leistungen. Die Geschichten beschäftigen mich bis heute. Vor allem deshalb, weil der Umgang mit diesen Verbrechen von vielen Verantwortlichen der Katholischen Kirche skandalös war und ist. Die Täter wurden selten belangt. Stattdessen in Schutz genommen und einfach versetzt. Die Opfer dagegen wurden kaum gehört, wie Bittsteller behandelt und so erneut gedemütigt. Akten wurden manipuliert oder gleich vernichtet, die Wahrheit vertuscht. Neuen Verbrechen wurde so die Bahn geebnet.

Wie konnte es zu all‘ dem kommen? Die Frage ist brennend. Und sie lässt mich hoffen. Hoffen nämlich, dass die Verantwortlichen die Krise jetzt endlich zum Anlass nehmen, bestehende Traditionen und Institutionen der Katholischen Kirche auf den Prüfstand zu stellen. Vor allem jene, die das Priesteramt betreffen. Und das wirft konkrete Fragen auf. Fragen, die immer wieder gerne verdrängt wurden: Warum müssen es um jeden Preis ausschließlich Männer sein, die Zugang zu diesem Amt haben? Wo und wie wird in der Berufsvorbereitung ein reifer und verantwortungsvoller Umgang mit eigener Sexualität gefördert? Was ist mit der Verpflichtung zum Zölibat? Begünstigt sie vielleicht sogar sexualisierte Gewalt und ist sie überhaupt haltbar? Auch angesichts der Tatsache, dass sie für viele Priester eine ziemliche Belastung darstellt, die persönliche Krisen befördert, und oft ja auch eine Doppelmoral? Ich bin Mitarbeiterin dieser Kirche. Und ich stehe zu ihr. Auch in dieser Krise. Es muss sich aber etwas ändern.

Ich hoffe jetzt auf die deutschen Bischöfe. Die sitzen in dieser Woche in Fulda zusammen. Und beraten. Auch über die Ergebnisse der großen Studie zum sexuellen Missbrauch, die sie vor vier Jahren in Auftrag gegeben haben. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, wird diese Ergebnisse heute präsentieren. Ich hoffe auf einen selbstkritischen, ehrlichen Umgang damit. Und auf den Mut, endlich wirksame Maßnahmen zur Veränderung einzuleiten. Damit die Katholische Kirche wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt. Und Menschen dieser Kirche vertrauen können. Vor allem aber ihrer Botschaft. Der Botschaft von einem liebenden, barmherzigen Gott. Von einem Gott, der zu uns Menschen steht. Und zwar ganz besonders dann, wenn wir uns unseren Schwächen und Verfehlungen ehrlich stellen.

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