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Mein Gott, warum?
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Mein Gott, warum?

Prof. Dr. Markus Tomberg
Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Tomberg, Professor für katholische Religionspädagogik, Fulda und Marburg
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Es ist eine tragische Geschichte, die der Kollege erzählt: Ein entfernter Verwandter, lebensfroh und tatendurstig, aber schon etwas älter, erkrankt schwer. Eine potentiell tödliche Diagnose durchkreuzt sein Leben. Es folgt ein Auf und Ab in den verschiedenen Therapien voll Hoffnung und Verzweiflung. Der Funke Hoffnung ist am Ende stärker. Die Krankheit: besiegt. Zum Dank, so erzählt der Kollege weiter, zündete der Verwandte eine Kerze an. Gläubige Menschen tun so etwas zuweilen, dazu muss man nicht katholisch sein. Und dann geschieht das Schreckliche. Sein Pullover, aus Fleece, fängt Feuer. Innerhalb von Sekunden brennt der genesende Mann. Zwar kommt die Feuerwehr, zwar versuchen die Ärzte noch ihr Bestes. Aber wenige Tage später stirbt der Mann. Der Kollege schließt: „Seine zum Dank entzündete Kerze hat ihm das Leben gekostet.“
Ist das Schicksal? Zufall? Die perverse Lust einer höheren Macht, die mit ihrem Opfer spielt wie eine Katze mit ihrer Beute? Sind Gebete, die der Not ebenso wie die des Dankes, sinnlos? Macht Religion, macht überhaupt irgendetwas im Leben letztlich Sinn? Nicht nur unreligiöse Menschen stellen solche Fragen. Und nur Zyniker, die es auch unter den religiösen Menschen gibt, könnten vermuten: Der Mann hat einfach noch nicht genug gebetet. Auf die Fragen, die die Erzählung des Kollegen aufwirft, gibt es keine wirklich überzeugende, Gewissheit verschaffende Antwort. Religion und Glaube sind Vertrauen und Wagnis, die Bibel sagt: ein Feststehen in Dingen, die man nicht sieht und nicht wirklich wissen kann. Und das kann enttäuscht werden. Die Bibel gibt deshalb auch keine unumstößlichen, objektiven Antworten. Sie wirbt um Vertrauen. Die großen Gestalten der Bibel, die Propheten etwa oder Jesus aus Nazaret, sind vertrauenswürdig, sagt sie. Aber auch sie geben nicht Antwort auf alle Fragen. Sie stellen vielmehr selbst welche. Eine besonders bekannte stammt von Jesus selbst. Mein Gott, fragt er am Kreuz, warum hast du mich verlassen? Das ist hart. Religion gibt keine letzten Antworten und keinen Seelenfrieden. Sie verheißt beides nur. Aber sie ermutigt, Fragen zu stellen. Mein Gott, warum? Das ist übrigens auch ein Gebet.

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