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Jesu Geburt und die Rolle der Menschen darin
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Jesu Geburt und die Rolle der Menschen darin

Sebastian Pilz
Ein Beitrag von Sebastian Pilz, Katholischer Referatsleiter Diakonische Pastoral/Seelsorge in besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen
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 „Bei der Arbeit!“ Kennen auch Sie diese Antwort? Mir begegnet die manchmal, wenn ich jemanden rufe. Derjenige meldet sich dann nicht mit einem freundlichen „Hier bin ich“, sondern stattdessen mit einem eher genervten „Bei der Arbeit“. Das kann ironisch für ein „Hier bin ich“ stehen oder aber eigentlich bedeuten: „Lass mich in Ruhe, ich habe keine Zeit für dich, ich muss arbeiten“.

Sie fragen sich vielleicht, warum ich ausgerechnet am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages über das Thema „Arbeit“ spreche. Nun meine Frau kommt gerade jetzt von ihrem Nachtdienst als Kinderkrankenschwester zurück, wird noch einen Schluck Kaffee trinken und dann schlafen gehen. So feiert meine Familie das Fest der Geburt Jesu in diesem Jahr anders: Die Bescherung fand früher statt, für den Kirchgang gestern brauchte es einen frühen Gottesdienst und beim gemeinsamen Mittagessen heute im Kreis der Großfamilie wird meine Frau fehlen.

Das finde ich schade, doch mir geht es nicht ums Jammern. Zu Weihnachten müssen viele Menschen arbeiten: Züge wollen sicher fahren, die Strom- und Wasserversorgung muss überwacht werden und Reisende sind dankbar für Sprit an den Tankstellen. Und natürlich ist jeder froh, wenn bei einem Unfall Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei herbeieilen. Kurz: Das „normale“ Leben geht auch trotz Weihnachten weiter. Und damit das so ist, braucht es Menschen, die arbeiten.

Vor über 2000 Jahren war das auch nicht anders. Der Tag der Geburt des kleinen, damals noch unbedeutenden Jesus war natürlich noch kein Feiertag. Deshalb haben viele Menschen gearbeitet. Einige von ihnen bemerken diese Geburt, denn davon berichtet die Bibel am Rande des Lukasevangeliums[1]. Zwei Personengruppen fallen mir da besonders in den Blick: Es sind die Gastleute und die Hirten. Bei diesen zwei Gruppen will ich im Folgenden Antwort auf die Fragen finden: Wie gehen sie in ihrer Arbeit mit der Geburt Jesu um? Was kann ich daraus für heute lernen? 

Die Gruppe der Gastleute ist in der Bibel gar nicht direkt erwähnt. Ich lese da nur, dass Männer und Frauen in Bethlehem unterwegs sind, die sich in Steuerlisten eintragen lassen müssen. Maria und Josef gehören auch dazu. Aber sie finden keine Herberge. Sie kommen in einem Stall unter. Dort bringt Maria Jesus zur Welt und legt ihn in einen Futtertrog[2]. In Krippenspielen, die Kinder am gestrigen Heiligen Abend aufführten, gibt es aufgrund dieser Schriftstelle die Rolle des Wirts oder der Wirtin. Sie sind zwar nicht in der Bibel wortwörtlich erwähnt, müssen aber logischerweise da sein, wenn es Herbergen gibt und andere Menschen da Quartier finden.  

Wenn ich mir einen freundlichen Wirt in Bethlehem zur damaligen Zeit vorstelle, dann macht er Maria und Josef wenigstens die Tür auf. Andere profitgierige Vertreter seines Berufes werden einer hochschwangeren Frau mit Mann erst gar nicht geöffnet haben. Der freundliche Wirt macht auf, wird aber dann mit der Situation total überfordert sein. Sein Haus und damit auch er persönlich sind am Limit: Er muss Zimmer herrichten, Essen kochen und hoffen, dass die Vorräte reichen. Trotz der schwierigen Situation schickt er Maria und Josef nicht kaltschnäuzig in die dunkle Nacht hinaus. Er bietet seinen Stall als notdürftige Behausung an. Vielleicht liefert er auch noch die Windeln, geht dann aber wieder zurück zu seinen anderen Gästen. In dieser angespannten Situation ist er viel zu sehr in seinem Planen und Tun gefangen.

Sich vom eigenen Planen und Tun gefangen nehmen lassen – diese Stimmung nehme ich bei einigen Zeitgenossen heute zu Weihnachten wahr. Sie konzentrieren sich sehr auf den perfekten Rahmen und die kulinarische Ausgestaltung des Weihnachtsfestes. Die eigentliche Botschaft von Weihnachten verschwindet da fast. Ich kenne das auch von mir. Nicht die Sache mit dem Kochen, sondern die Tatsache, dass ich mit meiner Aufmerksamkeit nicht in der Begegnung vor meinen Augen bin, sondern stattdessen mit meinen Gedanken abschweife. Ich denke dann mehr darüber nach, was ich noch machen muss, als dass ich meinem Gegenüber zuhöre.

Die Gastleute von Bethlehem, die arbeiten als Jesus geboren wird, sind für mich ein Appell zur Aufmerksamkeit. In ihnen erkenne ich, dass im menschlich Alltäglichen Gott zu finden ist. Und dafür gilt es sensibel und wachsam zu bleiben. Schon in jeder normalen Begegnung von Menschen kann Gott still und verborgen mit seiner Gegenwart und Liebe anwesend sein. So wie es damals war, als der zumindest in meiner Vorstellung freundliche Wirt einer hochschwangeren Frau die Tür öffnet und der für ihn nicht sichtbare Sohn Gottes dennoch verborgen vor ihm steht.

Zurück zu den Menschen, die in Bethlehem arbeiten, als Jesus zur Welt kommt. Nach den Gastleuten kommen nun die Hirten in den Blick. Sie haben laut Bibel Nachtdienst und wachen über ihre Herde. Nachdem ein Engel ihnen die frohe Botschaft von der Geburt Jesu verkündet hat, brechen sie gemeinsam zum Stall von Bethlehem auf.

Ich stelle mir vor, dass diese Entscheidung den Hirten nicht leicht fällt. Zuerst überlegen sie vielleicht, ob alles nur ein Traum ist. Aber diese Botschaft ergeht nicht nur an einen der Hirten, sondern sie alle haben sie gehört. Aber was ist mit den Schafen? Eine Lösung steht in der Bibel nicht. Allerdings heißt es wortwörtlich: „Da sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Bethlehem“[3]. Es klingt für mich so, als wären alle Hirten gegangen. Dann schließe ich daraus: Sie werden wohl ihre Schafe mitgenommen haben. Diese Lösung scheinen auch die Erbauer von Krippen im Sinn zu haben, denn zu jeder figürlichen Darstellung der Hirten im Stall von Bethlehem gehören auch ihre Schafe.

Mir gefällt dieses Bild der Hirten. Denn sie bringen den Mut auf, nachts mit ihrer Herde nach Bethlehem zu ziehen. Sie werden so als Außenstehende die ersten Zeugen der Menschwerdung Gottes und fallen betend vor dem Kind nieder.

Was mich dann am weiteren Text in der Bibel freut: Die Hirten bleiben ihrem Leben treu und gehen weiter als Hirten ihrer Arbeit nach, aber sie sind verändert. Es heißt im Text, dass sie Zeugnis von der Geburt Jesu ablegen und die Menschen über die Worte der Hirten staunen. Zu meiner Vorstellung von den Hirten mit ihrer Herde im nächtlichen Bethlehem passt das. Sie werden mit ihren Tieren zu so später Stunde in der kleinen Stadt für großes Aufsehen gesorgt haben. Dann stellen Passanten Fragen und schon verkündigen die Hirten voller Freude die Nachricht von der Geburt Jesu, indem sie die Fragen der Umherstehenden beantworten.

Die Hirten werden für mich zu einem Appel der Freude. Sie tun ihre Arbeit in einer positiv veränderten Weise und werden so zum Fragezeichen für andere. Ich erkenne: Im Alltäglichen steckt das Neue, das von Gott kommt. Das ist beim Kind in der Futterkrippe genauso, wie später bei den veränderten Hirten. Ich denke, dass das auch heute im übertragen Sinn funktionieren kann.

Ein Beispiel: Wenn ich von jemandem gerufen werde, kann ich – wie am Anfang erwähnt – mit „Bei der Arbeit“ antworten. Bei mir in der Freiwilligen Feuerwehr in Biebergemünd-Nord aber gibt es einen Kameraden, der anders antwortet. Sein Spruch ist immer: Hier, wo die Erde bebt. Diese Antwort bringt mich zum Lachen und ich vergesse manchmal, was ich eigentlich wollte. Nicht dass ich jetzt über Erdbeben lache. Nein, das sind schreckliche Katastrophen. Was ich mit Antwort meines Kameraden meine, sind die Heiterkeit und die Aufmerksamkeit, die in dieser alltäglichen Situation stecken. Ich werde bei seinem Ausruf aus meinem Planen und Tun herausgerissen, bin sofort fröhlich und ganz in der Aufmerksamkeit der Begegnung.

Wie dieses kleine Beispiel zeigt, ist es leicht sich im Alltag für das verborgene Neue zu öffnen, mit dem Gott die Welt verändert. Das ist für mich Weihnachten. Das erkenne ich in den Hirten vor 2000 Jahren. Aber diese Hirtenmomente gibt es auch heute:  wenn zum Beispiel eine Krankenschwester an diesen Festtagen mit einem Lächeln das Krankenzimmer betritt oder wenn ich jemandem Fremden die Tür aufhalte. Überall da in diesen alltäglichen Momenten scheint für mich die Größe und Freude von Gott durch. Ich wünsche Ihnen viele solcher Momente und so von Herzen ein gesegnetes Weihnachtsfest.

 


[1] Lukasevengelium 2,1 - 20 [2] Lukasevangelium 2,7. [3] Lukasevangelium 2,15

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