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Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

Jeden Tag sehe ich die Kinder vom Kindergarten gegenüber im Sandkasten spielen. Die Hände sind dreckig und die Füße auch. Mit einem Eimer Wasser rühren sie Teig an und füllen die Förmchen. Das gibt leckeren Sandkuchen. Andere malen mit Stöckchen Bilder in den Sand. Sie üben Zahlen und Buchstaben und sind stolz darauf.

Es ist immer ein Gewimmel im Sandkasten. Nicht hier ein Kind und da eins, sondern immer gleich sechs oder sieben nah beieinander. Sie spielen selbstvergessen, zeitvergessen. Sie überhören die Stimme der Erzieherin, die zum Mittagessen ruft. Neulich merkten sie nicht einmal, dass es anfing zu regnen. Die Kleinen sind richtig drin in ihrem Spiel. Sie sind mit Leib und Seele dabei. Manchmal wird es laut. Sie preisen ihren Sandkuchen an und zeigen ihre Bilder her.

Die Kinder zurzeit Jesu werden auch nicht anders gewesen sein. Jesus muss ihnen beim Spielen zugesehen haben, als er gesagt hat: „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“. (Markus 10,13 f.) Früher fand ich den Satz doof. Ich habe ihn so verstanden: Denk nicht so viel nach, stell nicht alles in Frage, nimm die Dinge einfach, wie sie sind. Das hat mich geärgert. Denn das Denken und Fragen wollte ich mir nicht verbieten lassen. Gerade Kinder machen sich doch über alles Gedanken und fragen einem Löcher in den Bauch.

Seit ich selbst ein Kind groß gezogen und viel mit anderen Kindern zu tun habe, höre ich den Satz aus dem Evangelium anders: „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind etwas empfängt, der wird nicht hineinkommen“. Kinder leben selbstverständlich. Sie stellen ihr Leben nicht in Frage. Ohne Bedenken verlangen sie alles Mögliche für sich und nehmen Geschenke entgegen, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Später verliert sich das. Wir lernen: Alles hat seinen Preis und es gibt nichts umsonst. Aber im Verhalten der Kinder ist etwas, das ich unbedingt bewahren will.

Die wirklich wichtigen Dinge im Leben und das Leben selbst, kann ich mir nicht verdienen. Die gibt’s gratis. Sie sind ein Geschenk. Ich stell mir vor: Kinder spüren das intuitiv und spielen deshalb so wunderbar selbstvergessen. Jetzt bin ich erwachsen geworden und spiele nicht mehr im Sandkasten. Aber eine Chance, das Reich Gottes wie ein Kind zu empfangen, habe ich immer noch: beim Musikmachen, beim Nähen, beim Joggen gelingt mir das manchmal.

Ich lasse mich los. Ich bin im „flow“. Was mir vorher im Weg stand, gerät ins Fließen. Die Welt ist in dem Moment schön. Der Himmel auf Erden. Meine erwachsenen Bedenken öfter hintan zu stellen und loszulassen – wie ein Kind. Das wünsche ich mir.

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