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Good Friday - warum Karfreitag ein guter Tag ist

Good Friday - warum Karfreitag ein guter Tag ist

Pia Baumann
Ein Beitrag von Pia Baumann, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Heute ist ein guter Tag. Ein guter Freitag. Das behaupten jedenfalls die Engländer. Denn bei ihnen heißt der Karfreitag „Good Friday“. Wo das herkommt? Da ist man sich nicht so sicher. Die einen behaupten, es sei eine Art Schreibfehler, der sich durchgesetzt hat. Eigentlich soll dieser Tag ursprünglich „God’s Friday“- also Gottes Freitag – geheißen haben. Andere sagen, das Wort „good“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht „gut“, sondern „heilig“. Aber wie dem auch sei, ich bin an dem Wort „gut“ hängen geblieben. Und interessant ist, nicht nur die Engländer, auch Martin Luther hat den Karfreitag einen „guten Freitag“ genannt. Was ist denn gut an Karfreitag?

Gut ist schon mal, dass der Karfreitag ein bundesweiter Feiertag ist. Wenn man nicht an den Feiertagen arbeiten muss, könnte man bis Ostermontag ausschlafen. Trotzdem ist das Wort „gut“ nicht das erste Wort, das vielen zu Karfreitag einfällt. Mir auch nicht. Eher denke ich an Worte wie: still, traurig oder eben heilig. Der Karfreitag ist auch ein stiller, ein trauriger Gedenktag. Christen und Christinnen – auf der ganzen Welt – erinnern sich heute an den letzten Tag im Leben Jesu. An seine Verhaftung, und nicht zuletzt an die Gewalt, die ihm angetan wurde und an seinen Tod am Kreuz.

Wer heute in die Kirche geht, stellt sich darauf ein. In vielen Gemeinden schweigen an Karfreitag die Glocken. Mancherorts gibt’s keine Orgelmusik und keine Blumen auf dem Altar. Selbst die Kerzen werden nicht angezündet. Auch die Lieder, die heute gesungen werden, passen zu einem Trauertag. Sie erzählen vom „großen Schmerzensmann“, von einem „Haupt voll Blut und Wunden“, und vom einem, der unschuldig sein Leben verlor. Es sind traurige, aber auch schöne Lieder. Ich singe sie gerne. Wer einen fröhlichen Gottesdienst sucht, wird ihn an Karfreitag nicht finden.

Auch im privaten und öffentlichen Leben wird der Karfreitag still begangen. Heute gibt es keine Tanzpartys. Die Discotheken bleiben geschlossen. Keine sportlichen Wettkämpfe, keine Rockkonzerte und auch keine Volksfeste. Bestimmte Filme dürfen heute nicht gezeigt werden. Weil sie, so sagt es das Gesetz, nicht feiertagstauglich sind. Weil sie dem Gedenken an Karfreitag, der Erinnerung an den Tod Jesu, nicht gerecht werden.

Ich weiß, es gibt Menschen, die sich dadurch bevormundet fühlen. Sie verstehen nicht, warum sie einen stilleren Tag als sonst erleben sollen, wegen etwas, das schon so lange zurückliegt. Das finden sie nicht gut. Mich bringt das zurück zu der Frage: Was also macht diesen Tag zu einem „good Friday“, obwohl an diesem Tag Trauer und Leiden im Mittelpunkt stehen?

Was ist gut an Karfreitag? Warum heißt er im englischsprachigen Ausland „Good Friday“? Für eine Antwort auf diese Frage schaue ich auf das, was rund um den Karfreitag passiert ist. Damals vor mehr als zweitausend Jahren. Es war die Zeit des jüdischen Passahfestes. Das halbe Land war unterwegs, um in Jerusalem an den Feierlichkeiten teilzunehmen. So auch Jesus und seine Jünger.

Als sie in Jerusalem ankamen, wurden sie von einer großen Volksmenge erwartet. Die Menschen freuten sich, Jesus zu sehen. Sie jubelten ihm zu. Denn sie hatten schon viel vom ihm gehört. Er war ein Wanderprediger, der durch das Land zog. Es gab schon damals viele Geschichten über ihn. Es hieß, er könne Wasser in Wein verwandeln, sei über den See Genezareth gelaufen und habe Kranke wieder gesund gemacht. Ja, es hieß sogar, dass Jesus Tote wieder zum Leben erwecken könne. Und dazu kam: Er erzählte vom Reich Gottes, wie kein anderer.

Die Menschen in Jerusalem feierten ihn. Denn, wenn er, wie viele sagten, der Sohn Gottes ist, kann man auf ihn hoffen. Bestimmt wird er das Volk von der römischen Besatzung befreien. Aber es kam anders. Denn es gab auch Menschen, denen Jesus gleichgütig war oder die ihn ablehnten. Manche hassten ihn sogar. Sie hatten Angst um ihre Macht und ihren Einfluss. Und so wurde Jesus verraten, verhaftet und gefoltert. Ihm wurde der Prozess gemacht. Man warf ihm Gotteslästerung vor, und dass er sich selber zum König über die Juden ernannt hätte. Pontius Pilatus, der römische Statthalter in Jerusalem, verurteilte ihn zum Tod.

An Karfreitag wurde Jesus ans Kreuz geschlagen. Dort ist er langsam und qualvoll gestorben. Das ist eine traurige, eine erschreckende Geschichte, an die sich Christen seitdem Jahr für Jahr erinnern. Wenn ich Kindern in der Schule davon erzähle, fragen sie immer: Warum hat Gott das zugelassen? Warum hat er seinen Sohn nicht gerettet? Das sind gute Fragen. Warum eigentlich hat Gott das nicht getan? Meine Antwort lautet: Weil es nicht konsequent gewesen wäre. Denn ich glaube daran, dass Gott in Jesus selbst Mensch geworden ist.

Jesus wurde geboren wie jedes andere Kind auch. Er wurde gestillt und gewickelt und gewiegt. Er bekam einen Namen. Er lebte ein ganz und gar menschliches Leben. Mit allem, was dazu gehört. Er hat gefeiert, gelacht und gesungen. Er konnte unglaublich zornig werden und hat sich mit vielen gestritten. Er war auch unglücklich und einsam. Ob er je verliebt war? Das weiß ich nicht.

Aber ich glaube, man kann sagen: Jesus, dem Sohn Gottes, und damit Gott selbst, war und ist seitdem nichts Menschliches mehr fremd. Auch nicht der Schmerz und das Leid, die zu jedem Leben dazu gehören. Und deshalb hat Gott Jesus nicht vor Folter und Kreuz gerettet. Jesus musste diesen Weg bis zum Ende gehen. Bis in den Tod. So endet an Karfreitag, was Gott an Weihnachten begonnen hat.

Der Karfreitag ist ein guter Tag. Ein „Good Friday“, wie der Feiertag auch heißt. Aber das muss man erklären, wie ein Tag, an dem man sich an den gewaltsamen Tod eines Menschen erinnert, und sei er auch Gottes Sohn, ein guter Tag sein kann. Der Theologe Fulbert Steffensky sagt es so: „Kein Tod ist gut, der dem Menschen gewaltsam aufgepresst wird, auch nicht der Tod dieses Sohnes Gottes, dessen sich die Christen erinnern. Kein Blut ist gut, das gewaltsam vergossen wird. Aber gut ist die Güte. Gut ist die Leidenschaft dieses Gottes, der nirgendwo anders sein will als dort, wo Menschen in ihrer Schwäche ertrinken und wo der Tod sie zeichnet, ehe sie geboren sind.“

So wie Steffensky das sagt, finde ich, ist der Karfreitag ein guter Tag. Denn er erzählt: Gott will den Menschen so nah wie möglich sein. Gott ist nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens zu finden. Sondern auch und gerade auf den Schattenseiten. Gott ist da, wo Menschen leiden. Gott hat selber gelitten. Und damit hat er uns ein Beispiel gegeben. Der Karfreitag ist deshalb ein guter Tag, weil er mich dazu anhält, dem Leiden nicht auszuweichen. Es nicht an den Rand zu schieben und die Augen davor zu verschließen. Tod, Trauer, Schmerz und Leid, das alles betrifft mich wie jeden anderen Menschen auch.

Es beginnt schon, wenn ich die Nachrichten anschaue. Die Bilder von Menschen, die auf der Flucht sind. Sie frieren und weinen, sie sind zornig und frustriert. Sie stehen an Grenzzäunen, sie sitzen dicht gedrängt auf Schlauchbooten oder sind eingepfercht in einem Lager. Aber Tod und Leid kann mir auch persönlich ganz nah kommen. Ein Mensch, den ich liebe, stirbt. Bei einem Freund wird eine schwere Krankheit diagnostiziert, und er hat Angst, davor, wie er damit leben soll. All diesem Leiden und dieser Angst gibt der Karfreitag einen Raum.

Auch meiner Hilflosigkeit, wie ich damit umgehen kann. Aber er tut noch mehr. Der Karfreitag erzählt davon, dass ich damit nicht allein bin. Gott ist bei mir. Gott ist bei uns. Aus Güte und aus Liebe hält er auch Leiden für und mit uns aus. Deshalb ist er in Jesus Mensch geworden. Mit allen Konsequenzen. Am Karfreitag können wir das sehen. Ja es stimmt, der Karfreitag ist kein Tag für fröhliche Feiern. Aber trotzdem: Er ist ein guter Tag!

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