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Fundamentalist wird friedlich
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Fundamentalist wird friedlich

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen

Manchmal ist die Rede von einem „Damaskus-Erlebnis“. Oder davon, dass jemand „vom Saulus zum Paulus wird“. Beide Redewendungen meinen das gleiche. Nämlich, dass jemand sich und seine Meinung radikal ändert. So etwas passiert selten. Leider, denn ich finde es gut, wenn jemand bereit ist, seine Meinung zu ändern, sofern es dafür gute Gründe gibt. Für mich kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.
Eine Geschichte in der Bibel erzählt, wie Saulus durch sein Damaskus-Erlebnis zum Paulus wird. Saulus ist ein Eiferer, ein religiöser Fundamentalist, der genau zu wissen meint, was richtig und was falsch ist. Mit brutaler Härte verfolgt er die, die aus seiner Sicht etwas Falsches glauben. Saulus ist Jude und die, die er verfolgt, sind zwar ebenfalls Juden, aber sie glauben an Jesus Christus. Also Abtrünnige in den Augen von Saulus. Deshalb verfolgt er diese ersten Christen sogar bis nach Damaskus. Vor den Toren der Stadt passiert jenes Damaskus-Erlebnis. Plötzlich sieht Saulus ein grelles Licht. So stark, dass er blind wird. Er sinkt zu Boden und hört eine Stimme. Es ist die Stimme Jesu. Jesus fragt: „Warum verfolgst du mich?“ Saulus ist verwirrt. Bislang hatte er Jesus nur für ein geistiges Irrlicht der Christen gehalten. Aber jetzt hört er klar und deutlich dessen Stimme! Jesus befiehlt ihm, nach Damaskus zu gehen. Dort erhält er sein Augenlicht zurück und wird Christ. Weil er nun ein anderer Mensch ist, ändert er später auch seinen Namen: Aus Saulus wird Paulus. Mit demselben Eifer, mit dem Saulus zuvor die Christen verfolgt hat, begeistert er nun als Paulus Menschen für den Glauben an Jesus Christus.
Doch Paulus hat nicht nur seinen Namen und seinen Glauben verändert. Sondern auch seine Methoden. Nie wieder wird er Gewalt anwenden.
Er vertraut einzig und allein auf die Kraft seiner Worte. Und auf das Handeln Gottes. Er provoziert oft genug Konflikte. Aber er versucht immer, diese zu dämpfen. Wenn nötig, indem er in die nächste Stadt weiterzieht.
Paulus ist zutiefst von seinem neuen Glauben überzeugt: Nur Christus kann die Menschen heil machen. Davon redet er, wo er kann. Aber er redet eben nur. Natürlich hofft er, möglichst viele zu überzeugen. Aber er überlässt es jedem einzelnen, diesem Glauben zu folgen – oder eben nicht.
Paulus hat verstanden, was Glauben heißt: Von etwas felsenfest überzeugt zu sein und dafür einzutreten. Aber zugleich auch die Sicht anderer zu akzeptieren. So wurde aus dem Eiferer Saulus, der meinte, die Wahrheit gepachtet zu haben, der gläubige Paulus, der seine Wahrheit niemandem aufzwingen muss. Bei seinem Damaskus-Erlebnis lernt Paulus also nicht nur den Glauben, sondern auch die Toleranz.
Das passiert, weil Paulus dem begegnet, den er ablehnt. So ist das ja oft: Man hat über jemanden eine feste Meinung, obwohl man ihn gar nicht kennt. Dann begegnet man ihm und plötzlich sieht vieles ganz anders aus.
Diese Lektion hat Paulus ausgerechnet in Damaskus gelernt. Das ist heute die Hauptstadt von Syrien, versunken im Krieg. Viele Menschen von dort sind nach Deutschland geflohen. Hier haben nun manche Einheimischen Angst vor ihnen, obwohl sie sie kaum kennen. Zeit also für Damaskus-Erlebnisse auch hier. Heute, am 25. Januar, ist übrigens der Gedenktag für den Apostel, der vom Saulus zum Paulus wurde."

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