Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Gerechtigkeit
Bildquelle: pixabay

Gerechtigkeit

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg
Beitrag anhören:

Die Mohrenstraße in Berlin erhitzt zurzeit die Gemüter ebenso wie in Marburg die Bismarckstraße und der Bismarckturm. Es wird heftig diskutiert, ob beide in heutiger Zeit nicht umbenannt werden müssen. Ich bin gespannt, wann die Forderung erhoben wird, die Gebeine von Hindenburg und seiner Frau aus einer dunklen Ecke der Elisabethkirche in Marburg zu entfernen und sie vielleicht namenlos zu bestatten. Schließlich ist es inzwischen ja auch inkorrekt, ein mit Schokolade überzogenes Schaumgebilde als Negerkuss, oder, wie in meiner Kinderzeit, als Mohrenkopf zu bezeichnen. Wie steht es mit dem Kopf eines Afrikaners im Wappen von Coburg und auf den Kanaldeckeln dort? Immerhin wird hier das Bild des hl. Mauritius dargestellt, des Schutzpatrons der Stadt. Weg damit? Muss die fröhliche Türkenstraße in Regensburg einen neuen Namen bekommen?
Ich möchte einmal eine Gegenfrage stellen: Sollte man nicht eigentlich die ägyptischen Pyramiden sprengen – oder vielleicht noch vorher den Palast von Versailles? Es handelt sich doch bei diesen Bauwerken um Zeugnisse von absolutistischen Herrschern weltlicher und geistlicher Art, die sich zum Teil sogar als Gottkönige verstanden. Sie und viele andere haben ihre Völker dazu angetrieben, ihnen Prachtbauten zu errichten. Diese Despoten haben ihre Untertanen betrogen, unterdrückt und ausgesaugt. Und trotzdem werden viele bis zum heutigen Tag bewundert und geehrt. Die Menschen blicken mit Erstaunen und Ehrfurcht auf das, was diese Regenten geschaffen haben. Einige haben den Ehrennamen "der Große" erhalten: Ramses der Große, Friedrich der Große, Peter der Große. Wir hören von ihnen im Geschichtsunterricht, Millionen werden ausgegeben, um ihre Hinterlassenschaften zu sichten, archäologische Forschungen zu betreiben, ihre Paläste zu konservieren. Denn das ist ja alles Teil der Geschichte, Teil der Kultur. Sie haben Kriege geführt und Nachbarvölker überfallen, nur so, um Beute zu machen. Kümmerte es die großen Herren etwa, wenn Frauen ihre Männer und Söhne und Kinder ihre Väter verloren haben? Hätte man sie gefragt, so hätten sie vermutlich geantwortet: Sie haben ihr Leben für Gott, für den Ruhm des Pharaos, den Kaiser, den König, den Staat hingegeben. Fast in jedem Dorf findet sich bis heute ein Kriegerdenkmal mit einem Satz wie: "Unseren Helden. Sie gaben ihr Leben für das Vaterland" – oder ähnliches. Nein, die Männer gaben ihr Leben nicht für das Vaterland, sondern für machtgierige, oft psychopathische Regenten, für Generäle, die sich einen Namen machen wollten und für alle, die am Krieg prächtig verdienten.
Und an sie sollte man nicht mehr erinnern? Ich meine, es ist Aufgabe der Älteren, den Jungen klar zu machen, wie sie selbst früher dachten, was sie meinten, wie sie sprachen und handelten. Die Älteren haben auch die Aufgabe zu erklären, dass das heute nicht mehr so sein darf. Geschichte muss lehren, was falsch oder richtig gemacht wurde, damit die gleichen Fehler nicht noch einmal begangen werden. Das gilt für den Staat, die Gesellschaft und natürlich auch für die Kirchen. Vielleicht können Sie dabei ja mithelfen.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren