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Crosby, Stills, Nash and Young: Teach your children
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Crosby, Stills, Nash and Young: Teach your children

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Nicht PopCorn, sondern PopSong

- wie „Teach your Children“ unserer Seele Nahrung gibt.

Guten Morgen und einen schönen Sonntag!

Sitzen Sie schon beim Frühstück? Ich komme aus einer wirklich großen Familie! Wir waren sechs Kinder, ein Mädel, fünf Jungs. Und vom „Format“ und Versorgungsbedarf her alle eher „XXL“!

Richtig zusammen essen hat eigentlich nur sonntags geklappt. Und bei dieser „Meute von hungrigen Mäulern“ sprach meine Mutter so humorvoll wie stöhnend gerne von der „Fütterung der Raubtiere!“

Wirklich satt werden liegt nicht an der Kalorienzufuhr

Es war die große Sorge unserer Eltern, uns satt zu kriegen. Und wenn sich die elterliche Zuwendung über so viele „hungrige Seelen“ verteilen muss, dann merkt man schnell, wie wenig das wirklich Sattwerden letztlich mit der Kalorienzufuhr zu tun hat. Da sind auch ganz andere Dinge wichtig…

Und darum erzähle ich hier heute Morgen in unserer Sinnsuche-Sommerreihe zum Thema „Haltung zeigen“ vom Füttern. Ja, vom Füttern. Aber wie ich schon angedeutet habe, geht es dabei weniger um die „hungrigen Mäuler“, hören Sie mal…

Nährt sie mit euren Träumen

„Erzieht eure Kinder gut, ohne all den Ballast, der euch quälte, füttert sie, nährt sie mit euren Träumen; der eine Traum, den sie daraus für sich auswählen, wird euch sie verstehen lehren.“

„Teach your Children“, ein Song und eine Band, die beide durchaus nachhaltig Popgeschichte geschrieben haben! Crosby, Stills, Nash und - zumindest zeitweise - Young. Vier kauzige Individualisten, die sich so sehr als Solokünstler verstehen, dass sie für ihre Band einfach ihre Nachnamen aneinanderreihen. Die eindrucksvolle Harmonie ihres mehrstimmigen Gesanges und ihrer einmaligen Gitarrenriffs macht sie ebenso schnell berühmt wie ihre andauernden Querelen untereinander und ihre Dogenskandale. Ich will da nichts verharmlosen, aber ihr Karrierestart liegt halt in den wilden Hippie- und Woodstock-Jahren der späten 1960er und frühen 70er. Da gehörte ein „Hauch von Rausch“ wohl irgendwie dazu. Später wird die Band gerade an den daraus entstehenden Beziehungsproblemen zerbrechen.

Nährt ihre Seelen, füttert sie mit euren Träumen

Graham Nash, der bereits 1969 „Teach your Children“ geschrieben hat, tourt allerdings solo bis heute – also seit 50 und mit fast 80 Jahren! - gerne auch durch Deutschland, auch mit diesem Lied.

„Erzieht eure Kinder gut“ – indem ihr ihre Seelen nährt, sie mit euren Träumen füttert. Der Song hat auf dem Hintergrund der Lebensmilieus und Pädagogikstile der eigentlich noch ziemlich autoritären Nachkriegsjahre manch überraschende Wendung parat:

Erzieht eure Kinder gut

„Du bist auf deiner Lebensreise, brauchst einen eigenen Werte-Kompass für deine Wege, um ganz du selbst zu werden, denn die Wege und Methoden von gestern taugen nicht mehr… Erzieht eure Kinder gut… Lasst sie an euren Träumen teilhaben – und je nachdem, für welchen sie sich entscheiden, werdet ihr sie besser verstehen. Aber fragt sie nicht zu viel nach ihren Motiven, die Antworten könnten euch traurig machen. Schaut nur gut nach ihnen, vertraut ihnen und seid gewiss: Sie lieben euch!“ (Alle Übersetzungen von Stefan Herok unter Verwendung von SWR1 Pop & Poesie: https://www.swr.de/swr1/bw/musik/article-swr-10034.html)

Kennt ihr die Ängste, mit denen eure Eltern aufwachsen mussten?

Die 68er-Generation des letzten Jahrhunderts wurde dafür berühmt, alle Autoritäten und natürlich zuallererst die eigenen Eltern kritisch zu hinterfragen. Da finde ich die Wendung, die der Song dann in der nächsten Strophe nimmt, richtig überraschend: Der Lead-Sänger wendet sich nun nämlich an die jungen Leute und wirbt um Verständnis für die alten…

„Und ihr im zarten Jugendalter: Kennt ihr die Ängste, in denen eure Eltern aufwachsen mussten? Helft ihnen mit eurem Optimismus in ihrer Sehnsucht nach Wahrheit, bevor sie die Welt loslassen können.“

Die Alten lernen auch von den Jungen

Finde ich schön und stark, wie der Blick der Sänger auf beide Seiten geht. Da klingt bereits vor 50 Jahren poppoetisch an, was wir heute – vielleicht - schon etwas tiefer begriffen haben: Dass auch Eltern von ihren Kindern lernen können! Und zwar durchaus existentiell – und nicht etwa nur, wenn es ein neues Handy zu bedienen gilt.

Beide Seiten dürfen frei sein – und lernen

Die musikalische Mehrstimmigkeit geht an dieser Stelle des Songs auch in textliche Polyphonie über. Der Vorsänger trägt das Teaching-Leitmotiv in die spannende nächste Wendung. Die anderen bleiben als Hintergrundchor bei der Elternlinie: „Hört ihr und versteht ihr, dass wir frei sein müssen, um unseren Kindern zu zeigen, woran wir glauben, auf dass eine Welt entsteht, an die man glauben kann!“ So die sanft unterlegte „Elternstimme“. Darüber der Leadsänger in - wie ich finde - fein gespiegelter Umkehrung des Leitmotivs jetzt: „Teach your parents well“,

Erzieht eure Eltern gut

„Erzieht eure Eltern gut! Eure Kindheits-Traumata gehen langsam zu ende. Nährt, füttert eure Eltern mit euren Träumen. Der eine, den sie davon auswählen, macht, dass ihr einander besser versteht. Aber fragt sie nicht nach welchen Motiven sie den Traum gewählt haben, die Antwort könnte euch traurig machen. Haltet sie einfach fest im Blick, vielleicht mit einem Seufzer, aber seid gewiss: sie lieben euch!“

Die 68er haben den Umgang zwischen Eltern und Kindern geändert

Ja, da hat sich was geändert im Umgang zwischen Eltern und Kindern, seit dieser Song damals entstand, und ich glaube schon, dass die politisch und gesellschaftlich aufbegehrende 68er-Generation dazu beigetragen hat, gerade auch mit ihrer Musik, eben mit Songs wie diesem. Graham Nash versteht sich bis heute als politischer Liedermacher; als einer, der Haltungen beeinflussen und prägen möchte. Popmusik als Seelennahrung, die auch den Rücken stärkt, sich politisch zu engagieren.

Meine Eltern haben Graham Nashs Anliegen ganz gut entsprochen

Als fünftes von den sechs Kindern bei uns daheim, habe ich – anders als meine älteren Geschwister - es tatsächlich noch erlebt, dass mein Vater sich bei uns Kleinen ernsthaft entschuldigt hat, nachdem er gemerkt hatte, dass er grundlos ausgerastet war. Auch im Blick auf den zentralen Song-Inhalt sehe ich meine Eltern eigentlich ganz gut Graham Nashs Anliegen entsprechen: Die Seele der Kinder füttern, mit dem, woran man glaubt und wovon man träumt, damit eine Welt entsteht, an die man glauben kann; eine lebens- und liebenswürdige Welt.

Wir haben nichts aus der Geschichte gelernt

2018 hat Nash zusammen mit dem Animations-Filmer Jeff Scher seinen 50 Jahre alten Song in einem Musik-Video so aktualisiert und aufgefrischt, dass man ein Bild bekommt, wie er sich „lebenswürdige Welt“ konkret vorstellt. Ein Zeichentrickfilm voller gesellschaftlicher Traumata und feiner Visionen und Momente ihrer Überwindung. (Service-Link auf der HP: https://www.youtube.com/watch?v=dQOaUnSmJr8L) Es beginnt natürlich mit „you are on the road“, du bist auf deinem Lebensweg, mit dem Song-Intro sieht sich der Betrachter eine Straße entlangfahren. Und dann schlagen die Film-Bilder einen so realen wie poppoetischen Bogen über die letzten 50 Jahre. Besser gesagt, sie konfrontieren politische Widerstands-Momente von 1968 direkt mit Protesten von 2018, weil – so wird es Nash später in einem Interview sagen - „…wir aus der Geschichte nichts gelernt haben“ (https://www.welt.de/kultur/article197195221/Rocklegende-Graham-Nash-Lasst-Woodstock-in-Ruhe.html).

Der alte Song ist brennend aktuell

Der alte Song wird brennend aktuell im inspirierend animierten Flow dieser gemalten Szenen von historischen Originalfotos. Der Bilder-Bogen beginnt mit dem Menschenrechts-Kampf für Schwarze, dem berühmten „Black-power-Faust-Signal“ bei der 68er-Olympiade. Ich kann hier gar nicht alle geschichtlichen Anspielungen aufzählen… Weiter geht es mit den Protesten gegen Nixons Vietnamkrieg und dem Antirassismuskampf der dafür ermordeten Visionäre Martin-Luther King und Robert Kennedy. Von dort springt der Film direkt ins Jahr 2018, nach dem Amoklauf von Portland zu den Anti-Waffen- und Anti-Trump-Protesten der „black-lives-matter-Bewegung“…

Das haben meine Eltern mir ins Herz gepflanzt

Es geht also um die großen Menschenrechts-Träume von Gleichberechtigung bis Gewaltlosigkeit, mit denen die Kinder wie die Eltern einander gegenseitig den Rücken stärken und die Seelen nähren sollen. Für mich persönlich sind diese humanen Motive und der Versuch, sie gesellschaftspolitisch zu realisieren, immer mit dem christlichen Menschenbild und seiner Religion der Nächsten- und Feindesliebe verbunden. Seit 40 Jahren stehe ich dafür im Dienst meiner katholischen Kirche. Und warum? – Weil mir meine Eltern diesen Traum ins Herz gepflanzt haben!

Dieser Song berührt und inspiriert

„Und füttert sie mit euren Träumen…“ Mich berühren und inspirieren Crosby, Stills, Nash and Young sehr mit diesem Song. Und ja, ich glaube schon, dass sie damit – zusammen mit meinen Eltern – auch meine Haltung ein gutes Stück weit geprägt haben… Danke!

 

SONGTEXT: Teach Your Children (Graham Nash 1969)

You, who are on the road
Must have a code that you can live by
And so, become yourself
Because the past is just a goodbye

Teach your children well
Their father‘s hell did slowly go by
And feed them on your dreams
The one they pick‘s the one you‘ll know by

Don't you ever ask them, "Why?"
If they told you, you would cry
So just look at them and sigh
And know they love you

And you (Can you hear?) of tender years (And do you care?)
Can't know the fears (And can you see?)
That your elders grew by (We must be free)
And so, please help (To teach your children)
Them with your youth (What you believe in)
They seek the truth (Make a world)
Before they can die (That we can live in)

And teach your parents well
Their children's hell will slowly go by
And feed them on your dreams
The one they pick's the one you'll know by

Don't you ever ask them, "Why?
If they told you, you will cry
So just look at them and sigh
And know they love you

Übersetzung:

Du bist auf deiner Lebensreise,
brauchst einen eigenen Werte-Kompass für deine Wege,
um ganz du selbst zu werden,
denn die Wege und Methoden von gestern taugen nicht mehr…

Erzieht eure Kinder gut…
Lasst sie an euren Träumen teilhaben
– und je nachdem, für welchen sie sich entscheiden,
werdet ihr sie besser verstehen.
Aber fragt sie nicht zu viel nach ihren Motiven,
die Antworten könnten euch traurig machen.
Schaut nur gut nach ihnen, vertraut ihnen
und seid gewiss: Sie lieben euch!“

Und ihr im zarten Jugendalter: Kennt ihr die Ängste,
n denen eure Eltern aufwachsen mussten?
Helft ihnen mit eurem Optimismus in ihrer Sehnsucht nach Wahrheit,
bevor sie die Welt loslassen können.

Hört ihr und versteht ihr, dass wir frei sein müssen,
um unseren Kindern zu zeigen, woran wir glauben,
auf dass eine Welt entsteht, an die man glauben kann!

Erzieht eure Eltern gut!
Eure Kindheits-Traumata gehen langsam zu ende.
Nährt, füttert eure Eltern mit euren Träumen.
Der eine, den sie davon auswählen, macht,
dass ihr einander besser versteht.
Aber fragt sie nicht nach welchen Motiven sie den Traum gewählt haben,
die Antwort könnte euch traurig machen.
Haltet sie einfach fest im Blick, vielleicht mit einem Seufzer,
aber seid gewiss: sie lieben euch!
                                

Übersetzung: Stefan Herok unter Verwendung von SWR1 Pop & Poesie: https://www.swr.de/swr1/bw/musik/article-swr-10034.html

 

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