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Ankommen in Deutschland
GettyImages/Marta Ortiz

Ankommen in Deutschland

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Solomon ist Mitte 50 und lebt schon 30 Jahre lang in Deutschland. Er kommt ursprünglich aus Eritrea und ist dort vor dem Krieg geflüchtet. Dabei musste er seine Eltern zurücklassen. Beim Abschied hat sein Vater für ihn gesungen. Ein besonderes Segenslied, in dem Wissen: Sie werden sich wahrscheinlich nie wiedersehen.

Ein evangelischer Christ aus Eritrea

Solomon ist evangelischer Christ. Das ist ziemlich selten in Eritrea. Sein Vater war sogar Prediger in der evangelischen Kirche. Als Solomon nach Deutschland kommt, erwartet er ein herzliches Willkommen von seinen christlichen Glaubensgeschwistern. Aber er wird bitter enttäuscht. Es gibt Menschen in der Kirchengemeinde am neuen Ort, die ihm die Hand zum Willkommensgruß verwehren, weil seine Hautfarbe schwarz ist. Auch in seinem Wohnviertel hat er Probleme: Es gibt Nachbarn, die die Polizei rufen, wenn er abends Gitarre spielt und dazu singt. Was also tun?

Den Glauben lieber mit Gleichgesinnten feiern

Er trifft sich mit anderen Geflüchteten aus Eritrea und gründet eine kleine Gemeinde. Hier feiern sie ihren Glauben so, wie sie ihn kennen, auch in ihrer Sprache. Er kämpft sich durch, macht eine kaufmännische Lehre, wird Buchhalter bei einer großen Firma. Dort spricht er meistens Englisch.

Mitglied in einer „normalen“ „deutschen“ Kirchengemeinde

Vor etwa drei Jahren habe ich ihn kennen gelernt. Solomon hat sich nämlich entschieden, den Kontakt zu seiner „normalen“ „deutschen“ Kirchengemeinde hier am Ort zu suchen. Er kommt ab und zu in den Gottesdienst, taucht bei Gemeindefesten auf und lernt einige Menschen aus unserer Gemeinde kennen. Schließlich wird er sogar in den Kirchenvorstand berufen. Manchmal spielt er mit seiner Gitarre ein englisches Kirchenlied im Gottesdienst, manchmal betet er ein Gebet in seiner Landessprache. Das hört sich immer sehr feierlich und würdevoll an.

Nach 30 Jahren endlich in Deutschland angekommen

Vor zwei Jahren ist er das erste Mal auf einem Kirchenvorstandswochenende dabei. Die ganze Zeit Deutsch hören und Deutsch sprechen, das ist ungewohnt und anstrengend für ihn. Aber er bringt sich ein, so gut es geht. Bei einer Abendandacht singt er das Segenslied, das sein Vater vor 30 Jahren für ihn gesungen hat. Er erzählt von dem Abschied damals. Und sagt: „Jetzt, nach 30 Jahren, habe ich in Deutschland endlich Schwestern und Brüder gefunden, mit denen ich zusammen glauben und beten kann. Jetzt bin ich in Deutschland angekommen.“

Wir anderen, die wir dabei sind, werden ganz ruhig und andächtig. Auch für uns ist es ein besonderer Moment. Und ich denke: Wie schade, dass es 30 Jahre gebraucht hat, bis Solomon sich in Deutschland zuhause fühlt!

Ein Vermittler zwischen den Kulturen

Heute ist Solomon ein echter Vermittler zwischen den Kulturen und mittlerweile auch Lektor in unserer Gemeinde. Er liest Gebete und Bibeltexte vor und darf auch Gottesdienste halten. Und er regt sich schon mal über die Unpünktlichkeit eines Landsmannes auf. Solomon ist wirklich in Deutschland angekommen. Schön, dass er nicht locker gelassen hat.

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