Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Abschied von Kathrin
Kzenon/GettyImages

Abschied von Kathrin

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
Beitrag anhören:

Über ein Fax erfahre ich: Kathrin Schmidt soll beerdigt werden. Mit 58 Jahren ist sie gestorben. Sie ist Mitglied unserer Kirchengemeinde, aber ich habe sie leider noch nie gesehen. Auf dem Fax steht: Keine Angehörige. Ich forsche nach. Das Bestattungsinstitut kann mich nur an eine Sachbearbeiterin vom Ordnungsamt weiterleiten.

Ein Leben voller Brüche und trotzdem den Menschen zugewandt

Schließlich bekomme ich die Telefonnummer einer Betreuerin. Sie hat Kathrin Schmidt in den letzten Jahren in ihrem Leben unterstützt. Die Betreuerin erzählt: „Das war kein glatter Lebenslauf. Kathrin ist am Ende durch eine Überdosis Heroin gestorben. Sie hatte es nicht einfach mit sich selbst. Sie war unpünktlich und ein Messie. Und trotzdem hatte Kathrin einen ganz besonderen Charakter. Sie war zugewandt und sensibel und hatte Charme. Egal wie dreckig ihr es gerade ging, sie hat immer gefragt: „Und, wie geht es dir denn eigentlich?“

Durch die Betreuerin erfahre ich weiter: Kathrin hat auch einen langjährigen Partner gehabt und einen Sohn, der in einer Pflegefamilie aufgewachsen ist. Beide sind in den letzten Jahren ganz plötzlich gestorben. Das hat Kathrin natürlich noch mehr aus der Bahn geworfen.

Geblieben ist ihr Hund Moritz. Der ist schon alt und grau und herzkrank. Manchmal hat Kathrin gehungert, damit sie ihrem Hund die nötigen Herzmedikamente bezahlen konnte.

Nicht allein am Grab

Nach dem Gespräch mit der Betreuerin gehe ich an die Vorbereitungen für die Urnenbeisetzung. Ich bin froh, wenigstens ein paar Eckdaten zu kennen.

Als ich am Friedhof ankomme, bin ich erstaunt. Etwa 10 Menschen warten auf mich, nicht nur die Betreuerin. Zwei ehemalige Schulfreundinnen mit zwei weißen Rosen stehen da. Und einige Nachbarn. Der eine Nachbar hat jetzt Moritz, den Hund, bei sich aufgenommen und zeigt mir Fotos von ihm auf seinem Smart-Phone. Ein Foto hat er ausgedruckt und wird es später ins Grab legen. Dann sind da noch einige Mitarbeitende vom Café Hauptwache. Hier in der Gegend hat Kathrin immer gebettelt und den einen oder anderen Kaffee unter der Hand bekommen.

Nach meiner kurzen Ansprache lade ich die Anwesenden ein, selbst noch etwas zu Kathrin zu sagen.

"Dieser Abschied hätte Kathrin gut gefallen"

Es ist eine muntere Runde. Und alle sind voller Wertschätzung für diese Frau mit ihrem Lebenslauf außer der Norm zwischen Drogen, depressiven Phasen und Existenzangst.

Ich bin am Ende ganz beeindruckt: von dieser Frau, die es trotz allem geschafft hat, immer wieder ein Stück Normalität und Beziehungen zu pflegen.

Und ich bin beeindruckt von allen diesen Menschen, die gekommen sind. Sie haben Kathrin Schmidt in ihrem Lebenskampf nicht allein gelassen, auch wenn sie selbst sich manchmal gegen Begleitung und Nähe gewehrt hat. Diese Menschen haben Kathrin nicht beurteilt oder verurteilt. Sie haben Menschlichkeit gezeigt und die Würde dieses Menschenlebens hochgehalten. Sie sind ein Geschenk Gottes für Kathrin gewesen. Die Betreuerin sagt zum Schluss: „Dieser Abschied hätte Kathrin gut gefallen.“

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren