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Wie geht Vergebung?
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Wie geht Vergebung?

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Früher hatte ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung, was ich groß an Schuld auf mich geladen haben könnte. Ich bin ein gutmütiger und den meisten Menschen wohlgesonnener Mensch. Und da fiel mir nichts Böses ein. Nun bin ich älter geworden. Und da hat sich etwas verändert. Ob es damit zu tun hat, dass ich mehr zurück schaue auf das, was war und was hätte sein können? Jedenfalls kenne ich nun auf einmal das Gefühl, schuldig zu sein. Leichtfertig und nicht wirklich verantwortungsvoll gehandelt zu haben.

Ich denke an eine große Geburtstagsfeier, bei der ich viele Gäste noch aus der Schulzeit gekannt habe. Ich hatte keine Lust auf ernste Gespräche. Und ich habe jemanden einfach mit einer Ausrede stehen gelassen, der mir von seinen Problemen erzählen wollte. Was habe ich damit zu tun?, habe ich gedacht. Später habe ich gehört, dass er sich umgebracht hat. Nicht unmittelbar danach. Es war schon eine Weile vergangen. Und ich bin ziemlich sicher, dass ich nicht der Grund dafür war. Aber trotzdem: hätte ich nicht einen positiven Impuls in seinem Leben bringen können? Dieser Gedanke hat mich verfolgt.

Ich weiß schon, dass ich es nun nicht mehr ändern kann. Aber das hilft mir auch nicht. Trotzdem trage ich es mir nach. Und das belastet mich. Wie aber werde ich es wieder los? Das, was ich nachtrage. Ich habe eine Kollegin um Rat gefragt. Sie ist auch Beraterin, wie ich. „Nimm mal diesen Stuhl hier und heb ihn hoch“, hat sie gesagt. Ich wusste zwar nicht warum, aber ich habe es getan. „Genauso ist das mit deinem Nachtragendsein“, hat sie gesagt. „Du trägst etwas Belastendes mit dir herum. – Und wie wirst du es wieder los?“ „Ich stelle ihn einfach ab“, hab ich gesagt und wohl ein bisschen doof dabei geguckt. „Genauso geht das auch mit dem Vergeben. Es ist eine Entscheidung, die du triffst. Gib zu, dass du einen Fehler gemacht hast. Und stell den Stuhl ab. Nimm den Fehler an. Und lass die Schuld gehen.“ Und meine Freundin hat weiter erklärt: „Vergib dir selbst. Du bist eben nicht ohne Fehler. Und dann wird es dir leichter fallen auch die Stühle, die du den anderen hinterher trägst, stehen zu lassen.“ Ich habe es ausprobiert. Es funktioniert. Auch wenn ich nicht sagen würde, dass es leicht ist, seine Fehler anzunehmen – aber wenn es mir gelingt, dann fühlt es sich wie eine große Erleichterung an und tut sehr gut.

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