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Wie eine alte Schallplatte
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Wie eine alte Schallplatte

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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„Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all“, so beginnt die zweite Strophe in einem Osterlied, das ich gern mag. Es stammt von einem Jesuiten: Friedrich Spee von Langenfeld. Im 17. Jahrhundert hat er sich gegen die Verfolgung von Hexen eingesetzt. Cautio criminalis, heißt das Buch, das er darüber geschrieben hat, auf Deutsch: rechtliche Bedenken gegen die Hexenprozesse. Damals war er eine der wenigen, die ihre Stimmen erhoben und für die verfolgten Frauen geschrieben haben. Ärger mit der Kirche und Druck von oben sind ihm deshalb nicht erspart geblieben.

Außer dieser juristischen Schrift hat Friedrich Spee auch viele Lieder geschrieben. Sie haben ihm beim Unterrichten im christlichen Glauben geholfen. Dank seiner Lieder blieb den Leuten vieles leichter hängen, als wenn er es in langen Ausführungen immer wiederholt hätte. Viele seiner Lieder sind in einem Band gesammelt, der sich Trutznachtigall nennt, ein schöner Titel: Christlicher Trotz bricht Mächte, die Menschen ihre Rechte nehmen, aber nicht mit Faust und Fußtritten, sondern zart wie der trällernde Gesang einer Nachtigall.

Zart ist auch die Zeile dieses Osterliedes: „Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all.“ Friedrich Spee antwortet damit auf eine Frage zur Auferstehung: Was geschieht mit all dem Leid, das Jesus ganz entstellt hat? Was wird aus seinen Wunden? Eine Frage, die sich Friedrich Spee vielleicht auch im Angesicht der verfolgten Frauen gestellt hat. Was geschieht mit dem Leid dieser Gefolterten?

Mit seinem Lied gibt er die gleiche Antwort wie die Bibel. Der Auferstandene trägt die Wunden des Gekreuzigten. Das Leid, an dem Jesus gestorben ist, hat unauslöschliche Spuren an seinem Körper hinterlassen. Aber sie scheinen bei der Auferstehung in einem neuen Licht. Die Wunden strahlen jetzt wie dunkelrot-glänzende Rubinsteine.

Was wird eigentlich bei der Auferstehung mit dem Leid geschehen, das Menschen erfahren haben und mit all den Tränen und mit den Verbitterungen? Ein Freund hat mir dies einmal so erklärt: Wenn Menschen bei der Auferstehung Gott begegnen, dann ist das wie bei einem Plattensammler, der alte schwarze Schallplatten liebt, wie sie gerade wieder in Mode kommen. Die Platte kann zerkratzt sein, einige Sprünge hat sie auch abbekommen, manchmal muss man den Tonarm bei einem Kratzer sogar weiterschieben, weil er immer hängen bleibt. Aber ein Plattensammler liebt diese Kratzer. Jeder Kratzer hat seine eigene Geschichte. Alles, was die Platte mitgemacht hat, kann man ihr anhören. So ist es mit Gott, hat mein Freund erklärt: Er wird die Menschen so lieben, wie sie bei ihm ankommen, und in Gottes Liebe fällt es ihnen auch leichter, selbst ihre Wunden anzunehmen und ihre Verbitterungen abzulegen.

„Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all.“ Ich glaube, so ähnlich hat das auch Friedrich Spee gemeint. - Ungeschehen machen kann Gott Verletzungen nicht. Narben und Wundmale bleiben. Aber Gott nimmt sie an mit seinem liebenden Blick, und das schenkt ihnen ein neues Licht. In diesem Licht beginnen die Wunden zu glänzen wie rote Rubinsteine. Darauf hoffe ich in der Osterzeit nicht nur für mich, sondern für viele, um deren Schmerz und Leid ich weiß.

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