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Schlüsselwort "Kooperation"
Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Schlüsselwort "Kooperation"

Hermann Trusheim
Ein Beitrag von Hermann Trusheim, Evangelischer Schulpfarrer, Hanau
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"Freeeeiiiheit!!! Der Schlüssel passt, die Tür öffnet sich knarzend, und ihr könnt endlich entkommen."

Wer diesen Satz liest, weiß: Wir haben es geschafft. Gemeinsam haben wir alle Rätsel gelöst. Alle Schwierigkeiten überwunden. Auch die letzte Herausforderung gemeistert, wir haben den richtigen Schlüssel zum Tor zur Freiheit gefunden.

Gerade haben wir wieder ein ‚Exit-Spiel‘ geschafft. Exit heißt Ausgang. Man muss aus einer schwierigen Situation herauskommen. Oder besser: herausfinden. Und das gemeinsam. In diesem Fall aus der "verbotenen Burg".

In der "verbotenen Burg" waren wir eingesperrt und mussten den Weg in die Freiheit finden. Dabei haben wir Bilder im Spielplan genau analysiert und Buchstabenrätsel gelöst. Manches wurde mit dem Spielmaterial aufgebaut, auch die Schere kam zum Einsatz. Mehr will ich nicht verraten.

Es macht Spaß, diese Abenteuerspiele zu bestehen. Man braucht Phantasie und Kombinationsvermögen, um die Rätsel zu lösen, die einem das Spiel stellt. Es ist ein toller Erfolg, über verschiedene Stationen glücklich den Ausgang zu erreichen.

In der Familie und im Freundeskreis spielen wir die Exit- und Escape-Games schon länger, jetzt in Corona-Zeiten halt im kleinen Kreis oder übers Internet.

Sie merken schon, diese Spiele haben unsere Familie gepackt. Und das hat seinen Grund: Bei diesen Spielen kommt es auf das gemeinsame Handeln an, auf Kooperation. Ohne Zusammenarbeit geht da gar nichts.

Ich bin nicht so sehr für Zahlenrätsel zuständig, das können meine Frau und die Kinder viel besser. Dafür kann ich gut "um die Ecke" denken. Das geht zwar auch mal schief, führt aber häufig zum Lachen. Überhaupt: Geduld, Humor und vor allem die unterschiedlichen Talente der Mitspieler zu nutzen führen zum Erfolg.

Wenn’s – auch nach längerer Zeit und manchen Diskussionen um die richtigen Lösungswege – dann geschafft ist, freuen sich alle und wissen: das haben wir gemeinsam geschafft.

Für mich ist das das Wichtigste bei diesen Spielen: Kooperation lernen und erproben.

"Kooperation"- Zusammenhalten und zusammenarbeiten ist im wahrsten Sinn des Wortes der Schlüssel zum Spiel. – Und wie ist das im echten Leben?

Kooperation im echten Leben – Dafür begebe ich mich auf Spurensuche in die Anfangszeit der Kirche (Apg 6,1-7):

Jerusalem, ungefähr 40 nach Christus. Eine erste Christengemeinde ist entstanden. Jünger Jesu, von seiner Auferstehung überzeugt, haben andere mit ihrem Glauben begeistert. Menschen finden sich zusammen, um etwas ganz Neues aufzubauen. Ganz wichtig dabei: In der neuen Gruppe soll es gerecht zugehen. Alle sollen das bekommen, was sie brauchen: Lebensmittel, Kleidung, Fürsorge - eben das, was man zum Leben nötig hat. Was für ein wunderbarer, idealistischer Plan. Doch dann droht dieses Vorhaben krachend zu scheitern.

Eine Herausforderung, mit der man vielleicht nicht gerechnet hatte, droht die Gemeinschaft zu sprengen: Bei der Versorgung wird ein Teil der Gemeinde übersehen, nicht berücksichtigt.

Das sind ausgerechnet die Schwächsten, die Witwen und Waisen. Ist es doch wie überall? Holt die Realität jetzt die junge Gemeinschaft ein?

Was tun? Da gibt‘s ja alle möglichen Reaktionen …:

Die Probleme aussitzen.

Man bildet einen Arbeitskreis, weil man nicht mehr weiterweiß und delegiert so das Problem.

Es wird ein Team zusammengerufen, das das Problem lösen soll. Aber die Abkürzung "Team" bedeutet allzu oft: "Toll, ein anderer macht’s."

Zum Glück geschieht nichts von all dem. Erst mal ist es wichtig, dass die Probleme auf den Tisch kommen. Dafür sorgen die Betroffenen sogar selbst. Und dann sind die Jünger ehrlich: "Wir schaffen das nicht." sagen sie. Sie fragen nach Rat und bitten um den Heiligen Geist. Also den Geist Jesu. Der stiftet Menschen dazu an, Glauben in Wort und Tat umzusetzen.

Und es geschieht: alle halten trotz der schwierigen Lage zusammen und suchen gemeinsam eine tragfähige Lösung – sie kooperieren. Bestimmt nicht ohne Debatte, aber hoffentlich mit Geduld und Humor.

Am Ende steht eine gute Lösung: Kompetente Spezialistinnen und Spezialisten übernehmen die Verantwortung, dass die Versorgung der Gruppe gerecht, transparent, ziel- und vor allem Menschenorientiert umgesetzt wird. Die erste Christengemeinde war klug genug, Kooperation zum Schlüssel der Problemlösung zu machen. Und diese Lösung trägt. Bis heute.

Die Katholische Caritas und die Evangelische Diakonie sehen in dem Praxisbeispiel aus dem 6. Kapitel der Apostelgeschichte zu Recht ihre Wurzeln. Caritas heißt "Fürsorge", Diakonie bedeutet "dem anderen dienen" – nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten.

Fürsorge und dem andern dienen, das heißt für mich, Glauben in die Tat umsetzen. Das macht Kirche für mich relevant in dieser Zeit. Das ist nicht nur für Kirche wichtig, das braucht die ganze Gesellschaft.

"Das Leben stellt uns vor Herausforderungen." Immer. Und jetzt ganz besonders.  – Da stellt sich die Frage: "Wie reagiere ich darauf?"

Die Antwort lautet für mich nicht nur im Spiel, sondern auch im echten Leben: Mit Kooperation…

Kooperation – mir fallen dazu aktuelle Geschichten ein:

Ich arbeite an einer Schule und habe meine liebe Not damit, mich auf das digitale Lehren einzustellen. Was bin ich froh, dass sich aus der Kollegenschaft Leute bereit erklärt haben, mir und anderen da "auf die Sprünge" zu helfen, und den Schülern auch. Daraus hat sich ein tolles Netzwerk entwickelt.

Spontan haben sich in der Kirchengemeinde und Kommune Leute zusammengefunden. Sie waren und sind bereit, auf Anfrage, Hilfe zu leisten beim Einkaufen für Menschen in Quarantäne, die Stadt liefert die Logistik. – Eine Hilfe-Kooperation, die hoffentlich noch weiter besteht.

Der Karnevalsverein in einer der umliegenden Gemeinden hat kurzerhand seinen Motivwagen zur fahrbaren Kapelle umgebaut und so eine Kooperation von Humor und Glauben geschaffen – wunderbar.

Bestimmt fallen Ihnen noch weitere Kooperationen ein, oder Sie machen längst bei einer mit, in der Nachbarschaft, in Kirche oder Gesellschaft. Sie leisten tolle Arbeit.

Zusammenhalten, Zusammenarbeiten und so füreinander sorgen, – "Kooperation" ist für mich das Schlüsselwort dieses Jahres. Wir brauchen Kooperation, um Herausforderungen zu bestehen, um aus ihnen zu lernen und Konsequenzen zu ziehen.

Und wenn es wieder möglich ist, habe ich mir vorgenommen, mit der Familie, mit Freunden und auch mal mit Schüler:innen einen der Escape-Rooms in der Umgebung zu besuchen. Da kann man das Spiel der gemeinsamen Suche nach guten Auswegen noch besser üben.

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