Klagen erlaubt
„Wie's mir geht? Ach ja. Gut. Ich darf nicht klagen!“ Das höre ich oft. Das klingt höflich. Aber nicht immer ehrlich.
Die kleinen Sorgen mit sich selbst ausmachen?
Dann hake ich nach. Anscheinend gibt es dann doch etwas zu bedauern. Aber irgendwie meinen viele, man dürfte das nicht aussprechen. Warum denn nicht? Weil man anständig sein will. Die kleinen Sorgen mit sich selbst ausmacht?
Ich finde: Klagen ist erlaubt. Sage: „Bei mir dürfen Sie mal so richtig jammern! Ob laut oder leise, ob große Sorgen oder kleine.“
Mal so richtig jammern, tut gut
Und oft fällt dann das Erzählen leichter: Dass die letzten Monate ungeheuer anstrengend waren, dass es schade ist, dass die Geburtstagsfeier abgesagt ist, dass das Warten in der Schlange nervt oder sie die Enkel so ungeheuer vermissen. Und noch viele solcher Geschichten.
Klageminuten müssen sein
Vielleicht brauchen Menschen einfach mehr solcher Momente, in denen sie das jemandem auch mal richtig erzählen können. Klageminuten eben. Es gibt Menschen und Orte, bei denen das geht. In ein Gespräch mit einer Pfarrerin passt es auf jeden Fall. Im Gottesdienst hat es sogar seinen festen Platz: in den Psalmen und den Gebeten. Für mich persönlich gehört es einfach zum Alltag dazu: Rauslassen, was drückt. Und zwar egal, wie gut es mir eigentlich sonst geht.
Wenn ich bete, finde ich Gehör bei Gott. Davon bin ich fest überzeugt. Aber jeder braucht auch Mitmenschen, denen man die eigenen, kleinen, versteckten Sorgen erzählen kann. Denen man vertraut, bei denen man klagen darf und die ein offenes Ohr dafür haben.
Klagen erlaubt
Ein offenes Ohr für die eigene Klage zu finden, ist ein großes Glück. Dann wird man selbst vielleicht auch bereit, sich auf die Klage eines anderen Menschen einzulassen, selber ein offenes Ohr zu schenken. Damit nicht so oft der Satz fällt: „Ich darf nicht klagen!“ Sondern: Klagen erlaubt!