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Gerechtigkeit
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Gerechtigkeit

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg
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Was kann man nicht alles aus dem Internet erfahren – Wichtiges und Unwichtiges, Schlaues und Dummes. Ein Satz aus der Rubrik "ungelogene Worte" ist bei mir unlängst hängengeblieben: "Unrecht wird dir in deinem Leben oft widerfahren. Doch bleib geduldig. Der Tag wird kommen, an dem jeder erntet, was er gesät hat und endlich die Quittung bekommt." Viele Leser bestätigten diese Ansicht vorbehaltlos. Ich vermute, dass die Leser das tatsächlich so erfahren haben: Auf Unrecht folgte irgendwann eine Strafe. Und ich muss zugeben, dass es auch in meinem Leben manchmal so ablief. Aber häufig ist es leider doch anders: Viele Schurken, die auf die eine oder andere Weise ihren Mitmenschen zur Qual wurden, lebten in Saus und Braus und starben in hohem Alter einen angenehmen Tod in ihrem Bett. Andere wiederum, die für ihre Umwelt ein Segen waren, starben früh und manchmal auch einen harten Tod. In der Mehrzahl der Fälle stimmt die genannte Regel einfach nicht und die Strafe folgt keinesfalls der Untat auf den Fuß.
In Marburg wird in diesem Kontext natürlich der hl. Elisabeth gedacht. Zeit ihres Lebens widmete sie sich der Armen- und Krankenpflege. Leider ist sie bereits mit 24 Jahren gestorben. Auch in der Bibel gibt es vergleichbare Fälle: Ausgerechnet einer der schlimmsten Könige namens Manasse, der über das Königreich Juda regierte, brachte es auf 55 Amtsjahre. Die Schrift stellt ihm ein furchtbares Zeugnis aus: Unter seiner Herrschaft sei die Stadt Jerusalem in Blut geschwommen. (2 Kön 21). Das war für viele Fromme absolut unerträglich, so dass es zu der Legende kam, Manasse wäre zur Halbzeit seiner Regierung von den Assyrern gefangen genommen und inhaftiert worden. Dort, in der Haft, wurde er geläutert und war nach seiner Freilassung in der zweiten Hälfte seiner Regierung ein frommer König.
Der Tag, an dem jeder erntet, was er gesät hat, ist also keinesfalls die Regel. Das haben auch schon die Verfasser der Bibel gemerkt und deshalb heißt es, dass Gott die Sünden der Väter bis in die dritte und vierte Generation der Nachkommen verfolgt. Diese Vorstellung gilt natürlich auch umgekehrt: Ein Mann, dem es gut geht, muss ein Liebling Gottes sein, so wie etwa Abraham, der im hohen Alter lebenssatt verstarb. Aber auch das hat nicht immer funktioniert. In vielen Religionen hoffen die Gläubigen daher in irgendeiner Weise auf eine ausgleichende Gerechtigkeit Gottes am Ende der Zeit. Letzten Endes wird hier die Frage der Theodizee gestellt, die Frage nämlich, warum es das Böse in der Welt gibt und warum der Gerechte leidet und es dem Bösen gut geht. Es ist ein Problem, das sich kaum befriedigend lösen lässt. Wir müssen einfach akzeptieren, dass das Leben nicht planbar ist. Es verläuft nicht geradlinig sondern steckt voller unerwarteter Wendungen. Warum das so ist, wissen wir nicht. Ich glaube, in einem gelungenen Leben wird der Mensch zu dem, was kommt, ja sagen und es so, wie es kommt, annehmen.

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