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Ein Küsschen für Papa
Bild: pixabay

Ein Küsschen für Papa

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Jedes Mal, wenn sie durch den Flur geht, bleibt sie kurz neben ihm stehen. Sie beugt sich zu ihm herunter – für einen Moment nur – nicht länger, denn sie möchte ihn nicht stören. Aber sie möchte ihm zeigen: Ich mag dich! Gemeinsam schaffen wir das alles! Und so haucht sie ihm ein Küsschen auf die Wange: Ein Küsschen für Papa, der im Flur an seinem Schreibtisch sitzt. 

Dieses bezaubernde Ritual hat eine unserer jüngsten Schülerinnen in den vergangenen Wochen und Monaten entwickelt. Sie schildert, wie jedes Familienmitglied einen eigenen Raum belegt habe, um den eigenen Aufgaben im Homeoffice und Homeschooling nachkommen zu können. Alle Familienmitglieder brauchen Ruhe und kreisen im eigenen Universum um die alltäglichen Herausforderungen. Mit ihrem Küsschen für Papa überbrückt meine Schülerin sämtliche Abgeschiedenheit und verbreitet einen kleinen Moment der Freude. Ich stelle mir vor, wie ihre eigene Fröhlichkeit ihren Papa ansteckt und anspornt.

Und während ich etwas wehmütig an meine eigene Situation denke, ungeküsst und ganz allein am Schreibtisch – da, unglaublich – fliegt die Tür zu meinem eigenen Arbeitszimmer auf. Mein jüngster Sohn hüpft herein und was tut er? Er lächelt mich an, drückt mir ein Küsschen auf die Wange und wünscht mir: "Viel Spaß noch!"

Unglaublich – aber wahr! Ich sinniere sofort darüber nach, ob dies nun ein purer Zufall gewesen ist, gar ein Zeichen göttlicher Vorsehung oder endlich mal ein positives Ergebnis meiner Erziehung. Da unterbricht meine Gedanken das lautschallende Lachen meines Sohnes.

Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen! Diese mir nun in den Sinn schießenden Worte lassen meine Frage nach Zufall oder Schicksal sofort verblassen. Sie schenken mir einen weiteren Hauch von Lebensfreude. Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen. Diese Worte stammen von Don Bosco.

Der Lebenslauf dieses Mannes, aus dessen Mund sie stammen, beeindruckt: 1815 in der Nähe des italienischen Turin in einfachen Verhältnissen geboren, Priesterweihe, Erzieher mit einer ziemlich modernen Pädagogik, Gründer des heute zweitgrößten Ordens weltweit, Heiligsprechung im Jahr 1934.

Don Bosco galt als unverbesserlicher Optimist und eckte in klerikalen Kreisen zunächst als "verrückter Spinner" an. Revolutionär war das, wofür er lebte: So suchte er in Turin den Kontakt zu jungen Menschen. Heranwachsende, die in der großen Stadt Arbeit und ein besseres Leben gesucht hatten, aber an den Fallstricken der einsetzenden Industrialisierung gescheitert waren. Statt auf Härte und Strafen setzte Don Bosco auf Vertrauen, Wertschätzung, eine pragmatische, lebensnahe Ausbildung sowie Glaube. Jedem Mädchen und jedem Jungen wollte er helfen, einen eigenen, selbstbestimmten und glücklichen Weg ins Leben zu finden. In diesen, seinen Zielen finde ich mich auch heute noch voll wieder. Am meisten fasziniert mich jedoch Don Boscos legendär unerschütterliche Grundhaltung der Freude.

Also: Fröhlich sein! Don Bosco ist nicht umsonst ein Heiliger, ein Vorbild im Glauben geworden. Heute nehme ich mir vor, optimistisch und fröhlich den Herausforderungen dieses Tages zu begegnen. Nicht verkrampft und verbissen, sondern ich möchte diesen Tag einfach mit einer gehörigen Portion Humor küssen. Ich weiß, das ist nur ein winziger Schritt auf den Spuren von Don Bosco – aber bestimmt in seinem Sinne herzerfrischend und ermutigend. Wie die Kinder mit ihren Küsschen für Mama und Papa!

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