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Du siehst mich - Gottes Liebe ermutigt, den Mitmenschen zu lieben
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Du siehst mich - Gottes Liebe ermutigt, den Mitmenschen zu lieben

Karl Waldeck
Ein Beitrag von Karl Waldeck, Evangelischer Pfarrer, Kassel

Noch einige wenige Stunden, dann wird in Berlin der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag eröffnet. Ein großes Fest, mehr als 100 000 Menschen werden bis zum Ende der Woche, zu rund 2500 Veranstaltungen erwartet: Darunter Prominenz aus dem In- und Ausland wie Barack Obama; am Sonntag schließlich das große Finale mit einem Festgottesdienst und Rahmenprogram in Wittenberg – anlässlich des 500jährigen Jubiläums der Reformation.

In diesem Jahr lautet das Motto des Kirchentags: „Du siehst mich.“ Ein Zitat aus der Bibel, dem 1. Buch Mose (1.Mose 16,13) – gesprochen von einer Frau, einer Alleinerziehenden. Sie wurde ausgegrenzt. Sie wurde verstoßen von der Familie, der Sippe, der sie lange gedient hat. Hagar heißt die Frau, ihr kleiner Sohn Ismael. Auf Ismael, den erstgeborenen Sohn Abrahams, berufen sich später Muslime als einen ihrer Stammväter. Seine Mutter, Hagar, ist verlassen, ausgesetzt in einer Wüste, was die reale Umgebung, aber auch die Hoffnungslosigkeit ihrer Lebenslage meint.

In dieser Situation bekommt Hagar unerwartet Hilfe − von Gott. Hagar ist ebenso glücklich wie dankbar. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, sagt und bekennt sie. Gott sieht den Menschen – und hilft; er meint es mit dem Menschen gut. Hagar erlebt den guten, menschenfreundlichen Gott. Gott, so berichtet die Bibel, öffnet der verzweifelten Hagar die Augen – und lässt sie einen Wasserbrunnen finden. So kann sie in der Wüste überleben und mit ihrem Sohn neue Wege gehen. Ein Brunnen und Wasser als Lebenselixier: Der Fluss des Lebens geht weiter, das Leben kann neu erblühen. So hat Hagar Gott erlebt. Das ist ein anderer Gott als der, der früher als Drohmittel schwarzer Pädagogik mit erhobenem Zeigefinger eingesetzt wurde: „Der liebe Gott sieht alles“ – halb „Big brother“, halb verlängerter Arm der Eltern. So ein Gott ist ein menschengemachter, ein interessengeleiteter Gott. Der Gott der Bibel ist nicht strafender Oberaufseher, er sieht vielmehr die Not des Menschen – und hilft.

Gott sieht den Menschen; das beruht allerdings nicht auf Wechselseitigkeit: „Niemand hat Gott je gesehen“, heißt es im 1. Johannesbrief, einer frühen Schrift der Christenheit. Das gilt unverändert bis heute. Morgen ist das Fest Christi Himmelfahrt. Es berichtet, dass der auferstandene Jesus 40 Tage nach Ostern von seinen Jüngern Abschied nimmt und zu seinem Vater in den Himmel auffährt. Jesus ist nicht mehr auf der Erde, er ist im Himmel. Er ist menschlichen Augen für immer entzogen. Diese Erfahrung machten bereits seine Jünger, die Jesus ja zuvor zu dessen Lebzeiten und auch nach der Auferstehung immer wieder gesehen hatten.

„Du siehst mich.“ Gott sieht auf den Menschen, dem es nicht möglich ist, Gott zu sehen. Vertrauen wird vom Mensch verlangt – und Glauben an den Gott, der den Menschen sieht, der ihn liebt und hilft. Das ist zugleich ein Modell für den Menschen. Der 1. Johannesbrief sagt es so: Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Die Liebe zum Mitmenschen, den wir vor Augen haben, das ist die Antwort auf die Liebe Gottes: Mag man Gott auch nicht sehen können, seine Liebe ist erfahrbar – und man kann sie weitergeben.

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