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Beim Beten die Hände sprechen lassen

Beim Beten die Hände sprechen lassen

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Menschen verstehen sich nicht nur mit Worten, sondern auch mit Gesten, Blicken und mit dem Gesichtsausdruck. Ein Lächeln oder ein trauriges Gesicht zum Beispiel verrät oft mehr, als wenn jemand lange und mit vielen Worten auf die Frage antwortet: „Wie geht es dir?“ Wichtig für unsere gegenseitige Verständigung sind auch die Hände. Viele unterstreichen durch die Bewegungen ihrer Hände das, was sie sagen wollen. Hände können auch ganz ohne Worte sprechen. Wenn ich jemand einen Vogel zeige, dann brauche ich nicht noch dazuzusagen: „Du bist doch blöd“. Und umgekehrt: Wenn mir jemand freundlich zuwinkt, brauche ich kein zusätzliches Wort, um mich zu freuen.

Warum wir wohl gerade häufig die Hände nehmen, um mit ihnen zu sprechen? Sie sind ein besonderer Ausdruck von uns selbst. An den Händen kann man ziemlich genau ablesen, was für eine Arbeit jemand tut. Das Leben hinterlässt seine Spuren in den Händen, in breiteren und schmaleren Linien, in Falten und in Wunden. Eine Narbe erinnert mich noch heute daran, wie ich meinen Finger einmal in die Brotschneidemaschine bekommen habe, ausgerechnet bei einer Geburtstagsfeier meines Vaters. Für viele Spuren lassen sich Ereignisse der Vergangenheit aus den Händen ablesen. Und auch Stimmungen spiegeln sich schnell an den Händen wieder. Daran, ob jemand die Hände ruhig hält oder nicht, ob sie zittern, oder ob sie zusammenzucken, lässt sich erkennen, was jemand denkt und fühlt. Die Hände sind so etwas wie unser zweites Gesicht.

Auch beim Gottesdienst und beim Gebet benutze ich die Hände. Ich spreche mit meinen Händen zu Gott. Beim Beten falte ich die Hände als Zeichen des Vertrauens. Ich stelle mir dabei vor, dass ich meine Hände gefaltet in die ausgebreiteten Hände Gottes lege. So haben es früher die Leute bei übergeordneten Personen getan. Sie haben mit dieser Geste versprochen, ihnen zu vertrauen. In einem solchen Vertrauen hat auch Jesus am Kreuz gebetet: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Er hat geglaubt, dass der Vater mit offenen Händen dasteht, und sein Leben annimmt und auffängt. Dennoch fällt mir eine solche vertrauensvolle Geste nicht immer leicht; und ich kenne auch andere, die sich Gott nicht so leicht anvertrauen können.

Eine andere Geste fällt mir inzwischen manchmal noch leichter: Ich breite einfach die Hände aus und halte sie Gott offen hin. Meine Hände sind mein zweites Gesicht und Gott kann in ihnen ohne viele Worte lesen, was mich gerade bewegt. Oft brauche ich dann auch gar nicht mehr viel sagen: Meine ausgebreiteten Hände sind dann schon mein Gebet.

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