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Wasser und Wein
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Wasser und Wein

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Meistens bin ich jemand, der im übertragenen Sinne ein Glas als „halbvoll“ und nicht als „halbleer“ bezeichnet: Ich sehe oft noch etwas Positives in trübseligen Situationen oder bei schwierigen Menschen. Darüber bin ich eigentlich froh, auch wenn ich nicht blauäugig sein möchte. Umso fremder komme ich mir selber vor, wenn ich manchmal die Dinge um mich herum mit anderen Augen sehe: Dann sehe ich nur noch halbleere Gläser. Und bin niedergeschlagen.

So genau kann ich mir diese Stimmungswechsel nicht erklären. Aber sie hängen oft damit zusammen, dass ich mich selbst unter Druck setze und unbedingt etwas perfekt erledigen will. Dann habe ich einen Tunnelblick: Ich sehe nur die Aufgabe. Alles andere ist zweitrangig. Dann bin ich ungenießbar: für Familie, für Freunde – und für mich selbst.

Es ist nicht einfach, aus dem Loch herauszukommen. Aber mir hilft dabei immer wieder mal eine ungewöhnliche Bibelstelle: Die Geschichte von der Hochzeit zu Kana. Sie erzählt: Jesus war auf eine Hochzeit eingeladen, bei der irgendwann der Wein ausgeht. Und Jesus sorgt für Nachschub: Er verwandelt Wasser in Wein, damit weitergefeiert werden kann. Dieser Wein wird sogar als besonders exzellent gelobt. 

Die leeren Weinfässer aus der Bibel – die gehen irgendwie zusammen mit dem halbleeren Glas meiner schlechten Stimmung in stressigen Situationen. Mein arbeitswütiges Ich denkt dann nämlich: „Was wandelt der Wasser in Wein, das ist doch ein viel zu lächerliches Wunder.“ So nach dem Motto: „Jesus ist doch auf die Erde gekommen, um die Menschheit zu retten – und jetzt nutzt er seine Wunderkraft für so eine läppische Aktion.“ Wenn ich das rausgelassen habe, kommt bei mir gedanklich etwas Positives in Bewegung. Ich merke nämlich dann: Dieses Wunder in der Bibel kann durchaus meine verkrampfte Sichtweise auf Arbeit und Welt lockern, die mich gerade im Griff hat. Der Wein steht für mich bildlich für Hoffnung, für Freude am Glauben an einen Gott, der die Menschen liebt. Wenn Jesus Wasser in Wein verwandelt, steckt darin für mich die Botschaft: Ich muss nicht 24 Stunden am Tag die Welt retten.

Zum Leben gehört eben nicht nur Wasser, sondern (zumindest bildlich gesprochen) auch Wein. Sonst gelingt es nicht. Das möchte ich nicht aus den Augen verlieren – und dabei hilft mir diese vielleicht etwas schräge, aber sympathische Wundergeschichte.

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