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hr4 Pfingstsonntags-Gottesdienst aus Dillenburg
Bild: Frank-Jochen Kranz

hr4 Pfingstsonntags-Gottesdienst aus Dillenburg

Simon Schade
Ein Beitrag von Simon Schade, Katholischer Pfarrer, Dillenburg

Katholischer Gottesdienst am Pfingstsonntag, 23. Mai 2021, 10:05 bis 11.00 Uhr aus der Pfarrkirche Herz Jesu in Dillenburg

Hier geht's von 10.05 bis 11.00 Uhr am Pfingstsonntag zum hr4 Livestream.

Den Gottesdienst zum Nachhören gibt es nach Ausstrahlung hier oben auf dieser Seite und auf hr4.de.

Nach dem Gottesdienst können Sie mit Pfarrer Simon Schade und einem weiteren Mitglied der Pfarrgemeinde sprechen: Sie sind bis 12.30 Uhr telefonisch erreichbar unter der Nummer 02771 / 263760. Informationen zu den Mitwirkenden und zur Pfarrei Herz Jesu in Dillenburg finden Sie hier.

Liturgie und Predigt: Pfarrer Simon Schade

Lektorin: Isabel Spanke

Musikalische Mitwirkende:

Kleine Vokalgruppe:
Monika Dreher
Dr. Barbara Kordes-Kögel
Sebastian Munsch
Susanne Wemken
Dr. Jörg Wendel

Kantoren: Sebastian Munsch, Joachim Dreher

Schlagzeug: Peter Gnich

E-Bass: Michael Wieczorek

Orgel / E-Piano / musikalische Leitung: Joachim Dreher

Kirchliche Redaktion: Beate Hirt, Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim hr                                                                

Predigt: 

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde!

ich möchte Sie heut Morgen mitnehmen in die Zeit von Pfingsten –  in diesen Moment, als die Jünger nach Einschränkungen und Rückschlägen endlich mal wieder vor die Tür gehen können. Da geschieht ein echter Aufbruch: Die Menschen verstehen sich auf einmal, egal welche Sprache sie auch sprechen oder aus welcher Kultur sie kommen – mit allen Sinnen kann man erleben: Hier liegt ein Geist der Veränderung in der Luft, hier wendet sich etwas zum Guten.

Solche Pfingstmomente, wie ich sie gerne nenne, kennt man nicht nur aus der Kirche: Ich denke an große historische Stunden, zum Beispiel beim Mauerfall: lachend und tanzend liegen sich die Menschen auf der Berliner Mauer in den Armen, der Geist der Veränderung liegt in der Luft. Ich denke aber auch an persönliche Momente: an fröhliche Feste, an erfolgreich abgeschlossene Projekte, an ein tröstendes Wort zur richtigen Zeit – und ich gehe davon aus: Auch Sie kennen solche Momente, in denen das Herz aufgeht und der ganze graue Alltag vergessen werden kann.

Bis die Freunde von Jesus damals und bis wir heute solche Momente erleben können, braucht es einzelne Schritte. Die möchte ich gerne mit Ihnen heute Morgen gehen. Denn ich glaube: In der Botschaft von Pfingsten steckt für uns Alle in dieser Zeit viel Kraft. Diesen Weg in fünf Schritten fängt das große mittelalterliche Pfingstgebet ein, das im 12. Jahrhundert von Stephen Langton geschrieben wurde und heute in allen katholischen Gottesdiensten gesungen und gebetet wird. Und auch hier hören wir in 5 Teilen dieses große Gebet, das unter dem Namen „Pfingstsequenz“ bekannt geworden ist.

Gehen wir also zusammen an den Anfang der Geschichte: Für die Jüngerinnen und Jünger war die vertraute Welt zusammengebrochen: An Himmelfahrt hatte sich Jesus von seinen Freunden verabschiedet, für immer. Und die Stadt war in Aufruhr. „Wie soll es weitergehen“ fragten sie sich. Und mehr noch: Aus Angst hatten sie sich zu Hause eingeschlossen, sie sind auf soziale Distanz gegangen; vielleicht ein Gefühl, das auch uns heute vertraut ist. Die Pfingstgeschichte beginnt nicht mit einem großen Sturm der Begeisterung, sondern mit einem Seufzer: Komm herab, oh Heiliger Geist – denn so wie es jetzt grade ist, kann es nicht bleiben.

1. Komm herab, o Heiliger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt. Veni, Sancte Spiritus!

2. Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm, der jedes Herz erhellt. Veni, Sancte Spiritus!

Die Jüngerinnen und Jünger von damals hoffen – und genauso erhoffe ich es auch in dieser Pandemie – dass endlich das Dunkle und Schwere zerrissen wird. Aber was passiert auf diesen flehentlichen Ruf hin? – Nichts! Kein Brausen, kein Aufbruch, keine Erlösung, sondern einfach nur Stille.

Und je länger ich darüber nachdenke, desto wichtiger wird mir dieses Luftholen vor dem Aufbruch: Ich erlebe in zahlreichen Gesprächen, dass viele Menschen nach der Dauerbelastung des letzten Jahres einfach nur noch platt sind, erschöpft von einer Welt, die im Krisenmodus heiß gelaufen ist. Mir geht es ja nicht anders – ich brauche erst mal wieder mehr Zeit zum Abschalten und Beten, statt immer nur den galoppierenden Entwicklungen hinterherzuhecheln. Ich sehne mich nach mehr Normalität im Alltag statt ständig neuer Vorgaben. Und egal ob es in den Urlaub geht oder wir einfach nur das Sommerloch genießen – wir alle haben uns in diesem Sommer eine Zeit zum Erholen verdient.

Das große Pfingstgebet kennt diese Pausen, sie gehören für den Glauben wie auch für den Alltag dazu – ohne Ruhe in der Unrast, ohne Labsal für Leib und Seele, ohne Abkühlung kann auch kein Neuanfang gelingen.

3. Höchster Tröster in der Zeit, Gast, der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not, Veni, Sancte Spiritus!

4. In der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod, Veni, Sancte Spiritus!

Die Jüngerinnen und Jünger von damals brauchen die Pausen wahrscheinlich genau so dringend wie viele von Ihnen, ich jedenfalls bin reif dafür. Zum einen, weil es ohne neue Kraft und neuen Schwung nicht weitergeht. Zum anderen aber entdecke ich in diesen Zeiten der Ruhe die Themen, die in der Geschäftigkeit des Alltags gerne und schnell zugemüllt werden: Bin ich noch auf der richtigen Spur in meinem Leben oder habe ich mich von meinen Träumen und von meinen Aufgaben entfernt? Was habe ich schleifen lassen und merke jetzt, wie sehr es mir fehlt? Was hat mir der prall gefüllte Terminkalender geraubt?

Auch diese Fragen gehören zu Pfingsten und zu jedem anderen Aufbruch dazu: Veränderung darf niemals nur oberflächlich passieren, sondern muss an die Substanz, an unser Innerstes gehen. Ich trainiere zum Beispiel eine Sportmannschaft im Nachwuchsbereich, und es kommen immer wieder mal Kinder vorbei, die sich das anschauen. Viele finden dann einen anderen Sport oder ein anderes Hobby – aber bei einigen kann man das Feuer der Begeisterung wecken. Das geht an die Substanz, dafür läuft man auch bei Regen im Training, dafür steckt man auch mal eine vernichtende Niederlage ein. Und vielleicht kennen Sie das ja aus anderen Bereichen ähnlich – in der Musik, in der Kunst, im Sport, in ihren Hobbies, in ihren Leidenschaften, Und genau deshalb kennt dieses alte und doch so aktuelle Pfingstgebet die Bitte: dass wir das finden, was uns glücklich macht und begeistert. Es komme das, was uns glücklich macht, und durchdringe uns das Herz und unsere Seele.

5. Komm, oh du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund, Veni, Sancte Spiritus!

6. Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund, Veni, Sancte Spiritus!

Schritt für Schritt entwickelt sich etwas in diesem alten Lied. Vom Seufzen und der Finsternis geht es in Richtung Aufbruch. Ich habe das Gefühl, es kribbelt schon. Am liebsten würde ich direkt losrennen und aufbrechen, direkt in eine neue Zeit starten. Und doch gibt es da noch eine Sache vorher zu klären. Das Pfingstgebet erinnert uns daran: Für einen unbeschwerten Aufbruch braucht es noch einen Schritt mehr.

Es erinnert mich an das, was wir grade in unserer Zeit vielfach erleben: Zwar gibt es schon deutliche Zeichen des Fortschritts: Die Impfkampagne läuft immer besser, wir hören von Lockerungen und insgesamt darf man hoffen, dass es besser wird. Aber so richtig nach Aufbruch fühlt sich das für mich immer noch nicht an. Da sind noch Probleme und Ängste, die es zu lösen gilt. Bevor es weitergeht, gilt es die alten Wunden zu heilen und die Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sondern zu lösen. Mit Altlasten wird es keinen Neuanfang geben: Wenn die katholische Kirche ihre Fehler nicht richtig aufarbeitet, wird es keinen neuen Aufbruch geben. Wenn das Virus nicht unter Kontrolle ist, wird es keine Unbeschwertheit geben. Und so gehört es dazu, auch die Altlasten zu überprüfen und zu klären. Auch im Pfingstgebet findet sich diese Bitte um Heilung und Klärung, gegen Hartherzigkeit und alte Irrwege.

7. Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du wo Krankheit quält, Veni, Sancte Spiritus!

8. Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt, Veni, Sancte Spiritus!

Und dann, aber erst dann ist es endlich soweit: Der Moment des großen Aufbruchs ist gekommen. Nach diesem langen Weg der Vorbereitung bricht die Freude durch.

Das ist für mich das, was Pfingstmomente ausmacht: Wenn sich nach langer Zeit die Teile zusammenfügen und wirklich das Herz aufgeht.  Pfingsten erinnert mich daran: ein Aufbruch ist möglich, auch wenn sich die Welt grade finster und einsam anfühlt. Gottes Geist will mich trösten und stärken. Und dieser Geist weht, wo er will: Er wirkt nicht nur in der Kirche und bei den Frommen, sondern überall dort, wo Menschen begeistert in ein neues Leben aufbrechen: Wenn sie eine neue Leidenschaft entdecken. Wenn sie sich versöhnen. Wenn sie sich begeistern. Und wenn sie sich verlieben.

Das große Pfingstgebet endet mit der Bitte um diesen Geist und die Gaben und Konsequenzen, die dieser Geist mit sich bringt. Und genau diesen Geist wünsche ich uns, hier und heute und immer – Pfingsten bedeutet: Ein anderer Weg, ein besserer Weg ist möglich. Pfingsten ist nicht nur eine fromme Geschichte der Vergangenheit! Pfingsten kann mit aller Freude und Begeisterung immer wieder neu in unseren Alltag brausen. Der Geist Gottes, der Pfingstgeist, kann uns Menschen weiterbringen, alle zusammen und jede und jeden Einzelnen von uns. Amen.

9. Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit, Veni, Sancte Spiritus!

10. Lass es in der Zeit bestehn, deines Heils Vollendung sehn und der Freuden Ewigkeit, Veni, Sancte Spiritus! Amen.

Musik:

Eröffnungslied: „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein“ (GL 351, 1+2+4)
Gloria: „Gloria“ (GL 169)
Antwortgesang: „Sende aus deinen Geist“ (GL 312,2 und Verse)
Halleluja: „Halleluja“ (GL 175, 2 und Verse)
Überleitung zum Credo: „Komm herab, o Heilger Geist“ (GL 788)
Credo: „Gott ist dreifaltig“ (GL 354)
Fürbitten mit Ruf: „Veni Sancte Spiritus“ (GL 345)
Musik zur Gabenbereitung: „Feuer und Flamme, lebendiges Licht“ (Vokalgruppe)
Sanctus: Sanctus (GL 197)
Agnus Dei: “Lamm Gottes, eleison imas”, 1-3 (Vokalgruppe)
Musik zur Kommunion: Maurice Duruflé: „Veni Creator Spiritus“, Choral und 3. Variation (Orgel)
Danklied: „Der Geist des Herrn erfüllt das All“ (GL 787, 1+3)
Orgelmusik zum Schluss: „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ BWV 667

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