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Nicht überblättern: Todesanzeigen
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Nicht überblättern: Todesanzeigen

Alexander Matschak
Ein Beitrag von Alexander Matschak, Medienkoordinator des Bistums Mainz
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Ich gehöre zu einer schrumpfenden Personengruppe. Denn: Ich habe noch eine Tageszeitung abonniert – auf Papier! Morgen für morgen hole ich sie mir aus dem Briefkasten. Denn: Die Tageszeitung ist für mich noch immer die beste Quelle, um mich über Ereignisse in meiner Heimatstadt Wiesbaden zu informieren. Sei es über die Skandale der Lokalpolitiker, sei es über die Tagesordnung des Schiersteiner Ortsbeirates.

Aber es ist nicht nur die Lokalpolitik, über die ich mich gerne intensiv informiere. Vor allem am Samstagmorgen lese ich auch das, was ein paar Seiten später kommt. Die Todesanzeigen. Es sind meist drei, manchmal sogar vier oder fünf Seiten. Und es ist ja heutzutage einer der wenigen Orte, wo Sterben und Tod überhaupt noch öffentlich gemacht werden. Deswegen überblättere ich diese Seiten mit den schwarz umrandeten Anzeigen nicht. Denn sie rufen es ja sozusagen in die Öffentlichkeit hinein: Schaut hin, hier ist jemand gestorben. Und für mich schwingt da auch mit: Denke daran, auch du wirst eines Tages sterben.

Natürlich ähneln sich viele Anzeigen. Text und Aufmachung sind fast gleich. Und doch gibt es da immer wieder die eine oder die andere, die mich berührt. Die mir etwas über die Toten oder den Toten sagen. Über ihr Leben. Oder über ihr Sterben. Da gibt es die großformatigen, mehrspaltigen Anzeigen: mit allen Titeln und Ehrenämtern samt Bundesverdienstkreuz des Verstorbenen. Das soll mir wohl sagen: Das war eine bedeutende Persönlichkeit, die da gestorben ist. Dann gibt es da die ganz nüchternen, fast geschäftsmäßigen Anzeigen. Da habe ich zum Beispiel gelesen: „In Erfüllung des zu Lebzeiten erteilten Auftrags geben wir den Tod unseres Klienten bekannt. Die Beisetzung hat in aller Stille stattgefunden.“ Da denke ich mir: Das wird wohl ein ganz einsamer Mensch gewesen sein. Ob da wohl Angehörige oder Freunde um ihn trauern? Dann gibt es die Anzeigen voller Schmerz und Trauer. Die um Worte ringen und nach dem „Warum“ fragen – oft bei Kindern oder jungen Menschen. Und ich ahne beim Lesen etwas von der Tragödie, die die Hinterbliebenen durchleiden. Und dann sind auch noch die stilleren Abschiede, viele Anzeigen, in denen die Menschen voller Liebe und Dankbarkeit von ihrem Angehörigen Abschied nehmen.

Manchmal mache ich mir Gedanken, wie wohl meine eigene Anzeige aussehen könnte. Eigentlich müsste es mich nicht interessieren, denn ich werde dann ja tot sein. Aber: Ich finde es eigentlich ganz gut, mich damit zu beschäftigen. Mit dem eigenen Sterben und dem eigenen Tod. Mit der eigenen Endlichkeit. Und mit dem, woran sich Menschen einmal erinnern sollen, wenn sie meiner gedenken. Ich persönlich hätte übrigens gerne einen Satz des heiligen Augustinus auf meiner Anzeige. Wenn sich meine Familie so an mich erinnert, wäre ich glücklich. Der Satz lautet: „Auferstehung ist unser Glaube, Wiedersehen unsere Hoffnung, Gedenken unsere Liebe.“

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