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Fragen meiner ungeborenen Enkelin
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Fragen meiner ungeborenen Enkelin

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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"Wie habt ihr damals gelebt, im Jahr 2021? Was war Deine Perspektive?" Ich stelle mir vor, dass mich so meine Enkelin fragt in dreißig Jahren. Ich weiß natürlich nicht, ob ich Enkel bekommen werde, aber ich stelle mir ein Mädchen um die 16 Jahre vor und ihren fragenden Blick. Sie lächelt nicht. Aber sie ist mir zugetan. Ich kann ihr ehrlich von mir erzählen. Sie fragt: „Was habt ihr damals gedacht und getan in Hinblick auf uns, die kommenden Generationen?“

„Was habt ihr damals getan in Hinblick auf die kommenden Generationen?“

Und ich antworte: „Ich weiß nicht. Wir wussten es nicht so genau.“ Damit wird mich meine Enkelin nicht davonkommen lassen. Sie wird sagen: „Das stimmt nicht. Als erste Generation habt ihr die Folgen des Klimawandels am eigenen Leib erfahren. Und ihr wart die letzten, die ausreichend etwas dagegen hätten tun können. Was hast Du getan?“

"Ich war auch nur eine ganz normale Bürgerin ..."

Und ich sage: „Ich war auch nur eine ganz normale Bürgerin, habe voll im Beruf gesteckt, musste wie alle funktionieren. Und dann gab es einige Krisen: Corona, unsere Demokratie wurde in Frage gestellt und rund um das Thema Bildung gab es viele Fragen. Dazu der normale Wahnsinn eines Alltags mit Familie und Beruf. Das habe ich nicht überblickt.“

"Ihr hattet aber doch die Wahl"

Sie sagt zu mir: „Ihr hattet aber doch die Wahl. Technische Voraussetzungen für klimafreundliche Entscheidungen gab es längst. 2021 habt ihr eine neue Regierung gewählt. Was war da wesentlich für eure Entscheidungen: niedrige Steuern, Arbeitsplätze so erhalten wie immer, mit dem Auto schnell von A nach B kommen, der nächste Urlaub auf Rhodos oder Korfu? Oder alles daransetzen, dass meine Generation noch leben, atmen, trinken kann?“

In 30 Jahren die richtigen Antworten geben können

Ich will meiner Enkelin in dreißig Jahren Antworten geben. Ich weiß natürlich nicht, ob es diese Enkelin geben wird. Aber ich weiß: Wenn wir dieses Gespräch führen, möchte ich etwas Besseres sagen können als „Ich weiß nicht genau.“

Ich will dann nicht als Superheldin dastehen. Aber ich möchte meiner Enkelin in die Augen sehen können und sagen: „Ja, ich habe es auch gewusst, und das war meine Perspektive und mein Beitrag zu den Klimafragen.“

"Dafür brauche ich eine positive Verlockung"

Dafür brauche ich eine positive Verlockung. Keine Ermahnung, moralapostolische Belehrungen, keine Drohungen. Das lähmt mich und macht mich ohnmächtig. Stattdessen brauche ich das Gefühl, dass es möglich ist. Ich brauche das Wissen, dass es auch denen wichtig ist, die noch größere Entscheidungen treffen als ich.

Der Heilige Geist schwebte bei der Erschaffung der Welt über dem Wasser und auch heute noch

Was mir Kraft gibt, hat für mich mit dem Heiligen Geist zu tun. Das erste Buch der Bibel erzählt von der Vorstellung: Der Heilige Geist schwebte bei der Erschaffung der Welt über dem Wasser. Wie eine brausende Macht, die sich damals über dem Chaos aufgespannt hat. Ich glaube, dass sie bis heute über der Welt und ihrem Chaos aufgespannt ist. Der Geist ist wie der Wind unsichtbar und doch wirksam. Er gibt Menschen guten Willens Kraft und Mut.

Dieser Geist gibt Hoffnung, dass diese Welt ein Ziel hat. Und dass jede und jeder in der Lage ist, etwas beizutragen, das unsere Welt und unser Klima erhält. Ich hoffe, davon werde ich meiner Enkelin erzählen können.

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