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Die abgerissene Brücke
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Die abgerissene Brücke

Monika Dittmann
Ein Beitrag von Monika Dittmann, Katholische Seelsorgerin im Altenheim, Flörsheim am Main
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Einige Wochen ist es jetzt her. Und es gruselt mich jetzt noch. In der Nachbargemeinde, in Wiesbaden, haben sie die große Schiersteiner Brücke abgerissen. Mit Baggern und vielen anderen Maschinen sind sie angerückt. Als ich dort entlanggefahren bin, waren nur noch die Brückenpfeiler da – und grässliche Wunden; Wunden aus Beton, aufgerissen; in dem ganzen Trümmerfeld zerrissene Leitungen und gekappte Verbindungsstränge. Gruselig hat das ausgesehen!

Es hat mir sehr wehgetan. Schließlich bin ich oft unter der Brücke durchgefahren. Manches Mal hat sie mich vor einem Regenguss bewahrt, wenn ich mit dem Rad unterwegs war. Öfter bin ich auch drüber gefahren, hinüber auf die andere Rheinseite, um drüben die Fahrradwege zu nutzen. Staunend habe ich dann von oben auf den Rhein mit seinen Nebenarmen geschaut. Viele Erinnerungen verbinde ich mit dieser Brücke; schon seit meiner Kindheit hat sie hier in der Region eine große Rolle gespielt. Klar, da steht bereits der Teil einer neuen Brücke … aber die Bilder der aufgerissenen Wände, die Betonwunden und die zerbrochenen Leitungen, sie gehen mir nach. Und haben mich zum Nachdenken gebracht.

Ich kenne es auch, wenn Menschen eine Verbindung zu mir abgebrochen haben. Ich weiß von Anderen, die mit schweren Wunden durchs Leben gegangen sind, weil feste Freundschaften abgebrochen und Verbindungen gekappt wurden. Geburtstagsbriefe wurden nicht mehr beantwortet. Besuche wurden plötzlich abgesagt und kamen dann nie mehr zustande. Und – ganz besonders schlimm – Ehen und Freundschaften zerbrachen und haben seelischen Schmerz hinterlassen, der nicht so schnell geheilt ist, wie eine neue Brücke entsteht.

Brücken zwischen Menschen sind nicht aus Beton und Eisengitter, Baustahlmatten und Leitungen erbaut. Sie werden mit dem Herzen ganz sanft und allmählich aufgebaut. Und sie brauchen Pflege. Kontakte, Anteilnahme und das Zuhören gehören dazu. Auch Zeit füreinander und vor allem der Blick weg vom eigenen Ich, hin zum Freund, zur Freundin, auch zum Kollegen oder zum Ehepartner.

Ich bin dankbar für all die Brücken, die ich im Laufe meines Lebens aufbauen konnte oder die zu mir hin errichtet worden sind. Ich trauere auch um die eine oder andere, die in Trümmer gegangen ist. Und bei allem Staunen und auch Trauer weiß ich um eine Brücke, die niemals abgebaut wird: es ist die Brücke zu Gott. Er ist treu und bricht die Verbindung zu mir nie ab. Deswegen bete ich gerne mit einem Psalmwort: „Denn deine Liebe reicht, so weit der Himmel ist, deine Treue, so weit die Wolken ziehn. (Ps 57,11) Das Wort gibt mir Halt, wenn so vieles im Leben auch brüchig ist.

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