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Der wunderbare Waschsalon
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Der wunderbare Waschsalon

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Morgen ist Weihnachten. Am Tag zuvor bin ich meist sehr geschäftig: Ich räume die Wohnung auf, der Staubsauger brummt und die Waschmaschine läuft auf Hochtouren, damit... ja, was eigentlich? Ich ein feines, sauberes Weihnachten feiern kann? Die Ankunft des Herrn Jesus festlich vorbereite? Oder meinen Kindern zeige, dass zum gemeinsamen Feiern Stil gehört?

Saubere Kleidung ist ein Segen

Vor der Waschmaschine fällt mir Simios ein. Er lebt auf der griechischen Insel Lesbos und arbeitet in einem Flüchtlingscamp. Das Camp beherbergt besonders schutzbedürftige Menschen: Kranke, Mütter mit Kindern, Alte und Schwache. Es wird ausschließlich von Menschen wie Simios betrieben, die ehrenamtlich ihre Zeit in diese Arbeit stecken. Simios ist im Camp für den Raum mit den Waschmaschinen verantwortlich. Ein wichtiger Ort! Denn ein sauberes Kleidungsstück ist für Menschen, deren Habe in einen kleinen Rucksack passt, ein Segen. Das gibt Würde in einer erbärmlichen Umgebung. Für die Kranken und für die neu geborenen Babys ist saubere Kleidung besonders wichtig.

Darum hat Simios den Waschraum gesichert. Mit einer bunt bemalten Sperrholztür und einem Schloss. Wer näher kommt, den lädt er ein: „Komm, ich zeig dir etwas, was du noch nie gesehen hast. Mach die Tür auf!“  Dann tritt er einen Schritt zurück. Die Leute wollen eigentlich nur waschen. Sie treten in einen dunklen Raum. Auf einmal erschallt Discomusik und vier Waschmaschinen scheinen in lila und blauem Licht zu tanzen. In Simios Waschraum dreht sich eine glitzernde Discokugel. Ein bisschen verrückt, ja. Doch niemand kommt ohne ein Lachen aus diesem Raum. Natürlich kann man die Glitzerkugel auch abstellen. Und Licht in den Raum lassen. Damit die Wäsche sortiert und zügig gewaschen werden kann. Aber Simios ist stolz auf seine Idee mit der Discokugel. In eine Umgebung, die gar nicht glitzert, bringt sie Licht. Für Menschen, deren Herzen und Seelen stumpf sind vor Enttäuschung, bringt die Musik einen Moment Freude. Unterbricht mit den tanzenden Waschmaschinen den eintönigen Rhythmus eines Flüchtlingscamps.

An jedem Ort kann Weihnachten werden

Für mich ist Simios‘ Waschsalon wie der Tag vor Weihnachten. In einem Psalm in der Bibel steht: „Macht die Tore weit und die Türen in der Welt hoch!“ (Psalm 24,7)  Ich verstehe das so: Öffnet euch für das Unerwartete. Erlebt ein Wunder. Durchbrecht die Tristesse und freut euch, einfach mal so. An jedem Ort kann Weihnachten werden. Wo Menschen einander einen würdigen Raum bereiten. Wo ein Baby saubere Windeln bekommt. Wo Musik das Einerlei der Tage durchbricht.

So drücke ich heute den Knopf der Waschmaschine. Stelle Musik an und bereite das Fest für morgen vor. Schaffe Raum in meiner Wohnung für die Krippenlandschaft. Ein Bild gelingenden Miteinanders. Mit dem schutzbedürftigen Kind im Futtertrog, den Flüchtlingen Maria und Josef, mit Hirten und Tieren, mit Engeln und einem Stern über allem. Denn glitzern muss es schon!

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