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Sommer: Aufbruch mit einem "Sommerlied"
Bild: pasja1000/Pixabay

Sommer: Aufbruch mit einem "Sommerlied"

Karl Waldeck
Ein Beitrag von Karl Waldeck, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Dienstag, 22. Juni. Es ist die erste Woche des Sommers. Durch den Sommer begleitet mich seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Lied – vielleicht ist es "das" Sommerlied schlechthin; zumindest für mich. "Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben." Vor mehr als 350 Jahre wurde sein Text geschrieben, vor mehr als 200 Jahre seine Melodie. Ein Evergreen ist es geblieben.

Geh aus, mein Herz… so beginnt Paul Gerhardts Sommerlied

"Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben." So beginnt Paul Gerhardts Sommerlied – ein Gedanke, der über 15 Strophen lang und trotzdem kurzweilig entfaltet wird. Der Weg, auf den es uns führt, beginnt im Garten der Natur und endet – wie hoffentlich für alle – im Paradies, im himmlischen Garten Eden. Doch bis dahin, das wäre zumindest mein Wunsch, ist noch ein bisschen Zeit!

Die Natur bietet viel Anlass zum Staunen

Denn es gibt ja vorher so viel zu entdecken! Um beim Lied zu bleiben: Pflanzen und Tiere, die Blumen und Bäume, das gesamte Tierreich, Rehe und Schafe, Störche und Nachtigall genauso wie die Bienen, die Wiesen, Wälder und Bäche. Alles steht in seiner Schönheit bereit, zum Staunen und Sich-Freuen. Es will nur entdeckt werden.

Geh aus, mein Herz ist eine Art Selbstgespräch

Dazu lädt Paul Gerhardts Sommerlied ein. Ja, es fordert geradezu auf: "Geh aus, suche, schau an!" Solche Imperative, zu Deutsch Befehlsform, mag ich eigentlich nicht. Denn befohlen, angeordnet wird im Alltag ja genug, nicht nur in Pandemie-Zeiten. – Von den vielen unerbetenen Ratschlägen ganz zu schweigen.
Doch darum geht es in Paul Gerhardts Sommerlied nicht. Es ist nicht eine fremde Instanz, nicht mal der Dichter selbst, der den Leser oder die Sängerin des Liedes zu etwas auffordert. "Geh aus, mein Herz!" Es ist ein Selbstgespräch. Ich sage zu mir: "Mach das doch!" Am Ende dieses Gespräches soll ein Perspektivwechsel stehen, eine Änderung der Haltung: Öffne deinen eigenen begrenzenden, oft selbstbezogenen Horizont, mach ihn weiter!

"Geh aus, mein Herz", das heißt "Raff dich auf, krieg den Hintern hoch"

"Geh aus, mein Herz", das heißt "Raff dich auf, krieg den Hintern hoch". Geh raus, mach die Tür auf, öffne deine Augen, deine Ohren und vor allem dein Herz. Öffne dich für die Schönheit der Schöpfung – und das heißt für die Schönheit des Lebens, allen Lebens. Alles ist da, du musst nur hinschauen! Viele tun das, während der Pandemiezeit haben viele das Spazierengehen entdeckt.
Bald geht auch an diesem Dienstag für mich wie für so viele der Alltag los, der Beruf. Der Rechner wird eingeschaltet, viele Aufgaben warten, angenehme und auch unangenehme. Sorgen, alte wie neue, melden sich zu Wort. All das kann leicht zu einem Tunnelblick führen. Man zieht sich auf sich selbst zurück und bemitleidet sich selbst. Dann scheint das Leben grau und nur bedingt lebenswert zu sein.  

Entdecke die Schönheit des Lebens

Paul Gerhardts Sommerlied hält dagegen: Geh aus, mein Herz, mach die auf Augen auf! Und entdecke die Schönheit deines Lebens und der Schöpfung, die Schönheit allen Lebens. Nicht erst am Wochenende oder am Sonntag, sondern bereits heute.
Ich wünsche Ihnen einen guten Dienstag – und einen guten Sommertag!

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