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Sehen und gesehen werden - mich selbst, den anderen und von Gott
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Sehen und gesehen werden - mich selbst, den anderen und von Gott

Karl Waldeck
Ein Beitrag von Karl Waldeck, Pfarrer, ehem. Direktor Evangelische Akademie Hofgeismar, Kassel

Montagmorgen. Alltag. Beginn einer neuen Arbeitswoche, die dieses Mal wohltätig unterbrochen ist − durch einen Feiertag: Christi Himmelfahrt. Zum Werktagmorgen gehört Routine: Aufstehen, ins Badezimmer, Frühstück − für manche nur dann eins, wenn die Zeit reicht. Routine – das bedeutet: Nicht bewusst wahrnehmen, nicht groß darüber nachdenken, was man da eigentlich macht. Alles läuft letztlich automatisch ab – Tag für Tag.

Ich finde: Es tut gut, zumindest ab und zu innezuhalten und sich den morgendlichen Weg in den Tag einmal bewusst vor Augen zu führen − etwa sich die Frage stellen: Nach dem Aufwachen − was sehe ich als erstes, wo schaue ich da hin: auf die Uhr, auf meinen Partner, schaue ich nach Hund oder Katze? Oder fällt der erste Blick am Morgen aus dem Fenster? − Je nachdem wie das Wetter ist oder an diesem Tag zu werden verspricht, steigt oder fällt vielleicht auch das Stimmungsbarometer.

Womit beginnt der Tag − was sehe ich? Ein Blick ist gewiss, er kommt bestimmt: Der in den Spiegel − Morgen für Morgen. Der erste Blick in den Spiegel nach dem Aufstehen ist fast immer vor allem eines: Ernüchternd. Der Lebensweisheit, dass Schlaf schön macht, mag man da nicht glauben. Ein erster Blick. Später noch einmal, bevor man das Haus verlässt und sich in die Öffentlichkeit begibt, ein letzter Blick in den Spiegel: gekämmt, rasiert, zurechtgemacht. Der Arbeitstag kann beginnen. Der letzte prüfende Blick in dem Spiegel gilt dem Äußeren. Bin ich mit mir einverstanden, kann ich mich so sehen lassen?

Sehen und gesehen werden. − In dieser Woche, am kommenden Mittwochabend beginnt der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin. Er steht unter dem Motto „Du siehst mich.“ Dieser so alltäglich daherkommende Satz ist ein Zitat aus der Bibel, aus ihrem ersten Buch, dem 1. Buch Mose: „Du siehst mich.“ Von einem Du ist die Rede; das bedeutet: Mein Blick bleibt nicht auf mich selber fixiert – wie der im Spiegel. Sehen stiftet Beziehung, kann es zumindest. Den Anderen sehen, das Du Wahrnehmen, damit ist in der Regel der Mitmensch gemeint. In der Bibel und für den, der glaubt, kommt damit auch Gott ins Spiel. Der Mensch kann zwar Gott nicht sehen, er kann sich aber von Gott gesehen, wahrgenommen wissen. Es ist gut, ermutigend und manchmal auch tröstlich zu wissen, dass ich nicht allein durchs Leben gehen muss. Gott ist nahe, er sieht nach mir – auch am Beginn einer neuen Woche.

 

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