Ihr Suchbegriff
Niko und seine Freunde
Foto: pixabay / geralt

Niko und seine Freunde

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Der lang ersehnte Urlaub am Meer für elf junge Männer. Sie sitzen zusammen am Strand in Portugal. Es läuft Musik. Nico ist der Kopf der Clique. Er hat alles organisiert: das Haus, den Bus, das Programm. Der gemeinsame Urlaub wird vielleicht der letzte sein. Denn keiner weiß, wie lange Nico noch leben wird. Er ist jetzt 27 Jahre alt und kann sich wegen einer Muskelkrankheit fast gar nicht mehr bewegen. Das hat schon angefangen, als er zwei Jahre alt war. Inzwischen gehören Rollstuhl und Atemgerät zu seinem Alltag. Die elf Freunde haben sich schon in der Schule kennen gelernt. Schon damals haben sie mit angepackt, wenn Nico Hilfe brauchte.

Nico ist dankbar für seine Schulzeit in einer besonderen Schule, wo behinderte und nicht behinderte Kinder zusammen lernen. Inklusion nennt man das. Nico sagt: „Ich wäre nicht der Mensch, der ich bin, ohne Inklusion. Ich denke, dass alle Leute besser mit Behinderten umgehen könnten, wenn sie das von Anfang an kennen würden.“

Nico ist sogar als Erster von Zuhause ausgezogen. Seine Freunde pflegen ihn. Sie sind bei einem Pflegedienst angestellt und verdienen so Geld für ihr Studium. Nico teilt sie selbst in Schichten für Tag und Nacht ein. Natürlich ist er auf ihre Hilfe angewiesen. Aber die anderen brauchen ihn auch. Er hält den Freundeskreis zusammen und organisiert Partynächte. Max sagt: "Nico hat mir schon oft geholfen. Früher bei den Schulaufgaben.  Später, wenn ich Liebeskummer hatte." Für Robin ist Nico ein Vorbild: "Er hat uns immer wieder gezeigt, dass man sich nicht hängen lassen darf." Nico hat als erster ein Studium abgeschlossen. Mit 1,0 im Fach Digitale Medien. Wer schwer und lange Zeit krank ist, wird oft auf das festgelegt, was nicht geht und was fehlt. Manchmal betrachten Kranke sich sogar selbst als Menschen zweiter Klasse. Diesen Blick umzupolen, ist gar nicht so einfach.

Die Freunde lernen von Nico, mehr auf die eigenen Fähigkeiten zu schauen, das zu genießen, was gerade schön und positiv ist. Sich nicht auf die Defizite fixieren. Das möchte ich auch von Nico lernen: diesen anderen Blickwinkel. Nicht auf das schauen, was fehlt in meinem Leben oder bei anderen. Der Kollege zum Beispiel, der auf den ersten Blick langweilig und still ist. Mittlerweile weiß ich: Er packt mit an, wenn ich ihn brauche, und er spielt ziemlich gut Gitarre. Jeder ist von Gott einzigartig geschaffen mit seinen Fähigkeiten und Grenzen. Ich glaube, dieser andere Blick führt zu einer milden und gnädigen Stimmung. Gnade mit sich selbst und mit den anderen.

Nico schafft das wirklich gut. Er hat die Gabe, trotz der fiesen Krankheit, immer das Positive im Leben zu sehen. Er sagt: „Eigentlich hatte ich bisher ein ziemlich schönes Leben trotz der Krankheit. Natürlich ist nicht alles gut, aber im Rahmen der Möglichkeiten habe ich, glaube ich, fast alles ausgeschöpft.“
 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren