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Mit dir kann man eh nicht reden - oder doch?
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Mit dir kann man eh nicht reden - oder doch?

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Ich bin von den ewigen Debatten müde. Immer wenn das Thema auf Flüchtlinge, Islam, Gender oder Umweltschutz kommt, dann kracht’s. Ich diskutiere gern und viel. Aber in den vergangenen Jahren habe ich so viele Streitgespräche erlebt. Ich weiß oft schon, was wer sagt. Und meine eigenen Argumente kenne ich erst recht bis zum Abwinken.
Mittlerweile vermeide ich die brenzligen Themen. Ich will mich nicht schon wieder streiten mit meinem Freund, der den Islam für eine Gefahr hält. Ich bin froh, wenn beim Familientreffen die Tante mal nicht herauspoltert, die Flüchtlinge würden heute bei uns zu viel Geld kassieren. Sie habe bei der Flucht schließlich auch gelitten und nichts geschenkt bekommen. Darüber habe ich mit ihr schon so oft gestritten. Irgendwie bringt das nichts.
Aber ich komme mir dabei auch ein bisschen wie ein Drückeberger vor. Darum meinen Respekt für die Gesprächspaare, die sich morgen für die Aktion „Deutschland spricht“ treffen. Ich finde den Rahmen der Streitgespräche gut. Beide wissen: Sie können, müssen sich aber nicht wiedersehen. Und es ist von vorneherein klar: Wir sind total verschiedener Meinung. Da kann man sich Floskeln sparen wie „Eigentlich sind wir doch gar nicht so weit auseinander“. Doch, wir sind weit auseinander. Jesus hat einmal gesagt: „Eure Rede sei Ja, ja; nein, nein. Alles dazwischen ist von Übel.“ (Matthäus 5,37) Also klare Kante, klare Haltung. Das sind gute Voraussetzungen für einen guten Streit.
Bei Jesus lerne ich noch mehr über Streitkultur. Jesus ist den Leuten ohne Vorurteile im Kopf begegnet. Einmal holt er einen Zöllner namens Zachäus von einem Feigenbaum herunter. Auf den war Zachäus geklettert, um über die anderen hinwegsehen zu können. Jesus hätte über ihn wie die meisten Leute damals denken können: Ein Zöllner! Ich weiß schon, wie der ist. Ein Ausbeuter, Betrüger, Raffzahn. Der ist unverbesserlich. Aber Jesus sagt zu dem Zöllner, als der auf Augenhöhe vor ihm steht: „Ich will heute bei dir essen und dann reden wir.“ (Lukas 19)
Die Aktion „Deutschland spricht“ holt morgen viele tausend Menschen auf Augenhöhe. Wenn das Gespräch schlecht läuft, können sie sich wieder in ihre eigenen Meinungsecken zurückziehen. Im guten Fall lernen sie einen Andersdenkenden besser kennen. In jedem Fall aber haben sie miteinander und nicht bloß übereinander gesprochen.

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