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Gastfreundschaft mitten in der Wüste
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Gastfreundschaft mitten in der Wüste

Simone Twents
Ein Beitrag von Simone Twents, Katholische Dezernetin für Glaubenskommunikation und Pastorale Innovation, Fulda
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Vorsicht vor den Beduinen hatten uns alle in Jerusalem gesagt. Die sind aufdringlich und wollen euch übers Ohr hauen! Mit diesen Warnhinweisen im Gepäck machte ich mich zusammen mit einer Freundin auf den Weg von Jerusalem in die Wüste. Dort wollten wir in dieser faszinierenden Landschaft Gott finden. Aber da waren ja noch die Beduinen …

Wir fuhren auf den Parkplatz mitten in der abgelegenen Wüste. Der Parkplatz war leer. Wir waren die Einzigen. Außer: zwei Beduinen! Strategisch günstig postiert, warteten sie auf das beginnende Tagesgeschäft. Uns wurde es mulmig: zwei Frauen allein in der Wüste. Mit ihrem gesamten Reisegepäck im Auto.

Wir drückten einem der Beduinen ein paar Scheine in die Hand mit der Bitte, auf unser Auto aufzupassen. Zu meiner Überraschung hielt der Beduine gekränkt inne, schaute uns in die Augen und sagte: Ihr wisst nichts über unsere Kultur, oder? Stimmt, wir wissen nicht viel. Er erzählte, wie wichtig für ihn und sein Volk Gastfreundschaft ist. Ein Gast ist etwas Heiliges. Er zeigte auf unser Auto und sagte: "Ihr seid unsere Gäste in der Wüste." Dass eurem Auto nichts passiert ist, ist Ehrensache. Er heiße Bilal. Wir stünden unter seinem Schutz. Das war eine Lektion! Wie arrogant und überheblich wir in unserer Angst gewesen waren, wurde uns erst allmählich bewusst.

Wir kauften ihm ein paar Halsketten ab. Die Sonne brezelte. Bilal musterte mich und bot mir das absolute Privileg an, das er überhaupt nur anbieten konnte: seinen Schatten. Er hatte so einen kleinen Schirm. Das hat mich unglaublich gerührt. Was hatten wir uns vorher alles über die angeblich bösen Beduinen ausgemalt. Und was war das hier für eine Begegnung!

Ich war losgezogen, um Gott in der Wüste zu finden. Er ist mir dort begegnet, ganz anders als erwartet: in Bilal, dem Beduinen. In einer Gastfreundschaft, die meine Schwäche nicht ausgenutzt hat. Im Überwinden meiner eigenen Arroganz. Das war für mich ein echtes Highlight des Menschseins. Immer wenn ich die damals gekaufte Halskette trage, denke ich an Bilal und segne ihn.

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