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Erinnerung hört nicht auf – Warum Konfirmanden Stolpersteine putzen
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Erinnerung hört nicht auf – Warum Konfirmanden Stolpersteine putzen

Michael Tönges-Braungart
Ein Beitrag von Michael Tönges-Braungart, Pfarrer

Es gibt Politiker wie Björn Höcke von der AfD, die nennen das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ und meinen, es sei jetzt mal genug mit dem Erinnern. Ich finde das ganz und gar nicht. Darum erinnere ich heute an einen Film, der vor 25 Jahren in die Kinos kam und viele in Deutschland bewegt hat: „Schindlers Liste“ vom Regisseur Steven Spielberg.
Den meisten Menschen war Oskar Schindler vor dem Film völlig unbekannt. Schindler war ein deutscher Fabrikant, katholisch erzogen, aber die Kirche war ihm ziemlich egal. Er war ein erfolgreicher Unternehmer, galt zudem als Spieler, Lebemann und Opportunist. Im Oktober 1939 übernahm er eine Email­fabrik in Zabłocie bei Krakau. Das Geschäft brummte. Die Wehrmacht brauchte viel Email für das Küchengeschirr an der Front. Schindler profitierte also vom Nazi-Regime. Trotzdem widerte ihn immer mehr an, wie die Nazis Juden behandelt haben. Schindler entschloss sich, möglichst viele Juden vor der Vernichtung zu retten. Er ließ seinen Betrieb als kriegswichtig einstufen und forderte von der SS jüdische Arbeiter an, um sie vor der Deportation zu bewahren. Immer wieder musste er taktieren und bestechen, um nicht aufzufliegen. Mehrmals wurde er verhaftet, aber kam dank Beziehungen wieder frei. Zusammen mit seiner Frau setzte er nicht nur ihr gemeinsames Vermögen, sondern auch ihrer beider Leben ein, um möglichst viele zu retten. Schließlich waren es etwa 1.200 jüdische Menschen, die auf seiner Liste standen und die er dadurch vor dem Tod bewahrte. An der Hebräischen Universität in Jerusalem wurde ein Raum seinem Gedenken gewidmet. Dort befindet sich auch eine Liste mit den Namen all derer, die ihm ihr Leben verdanken.
Ich finde es gut, dass Oskar Schindler durch Spielbergs Film aus der Vergessenheit geholt und einem breiten Publikum bekannt wurde. Ein Kinofilm kann beides – unterhalten und erinnern.
Erinnerung ist wichtig. Erinnerung an die Verbrechen, die Deutsche damals begangen haben. Erinnerung auch daran, dass es Menschen gab, die das ihnen Mögliche getan und den Verbrechen der Nazis Menschlichkeit entgegengesetzt haben.
Erinnerung ist wichtig. Und sie wird immer wichtiger. Die neuen Nationalisten heute reden von Schuldkult und Zwangserinnerung, wenn es um die Auseinandersetzung mit der Nazi-Geschichte und um das Gedenken an die Opfer geht. Gott sei Dank ist es bislang nur eine lautstarke Minderheit, die so denkt und öffentlich so redet. Gott sei Dank denken die meisten Menschen in unserem Land und auch die meisten Politiker anders.
Erinnerung ist wichtig. Und konkretes Handeln. In einer Kirchengemeinde hier in meiner Nähe tun das Konfirmanden mit Lappen und Messingputzmittel. Sie reinigen in ihrem Ort die Stolpersteine. Stolpersteine, das sind Messingplatten, groß wie ein Pflasterstein. Sie werden vor den Häusern verlegt, in denen im Dritten Reich Jüdinnen und Juden zuletzt gewohnt haben, bevor die Nazis sie verschleppt und ermordet haben. Für die Konfirmanden ist das Putzen der Stolpersteine keine Zwangserinnerung. Sie drücken damit aus: Wir wissen um die Geschichte. Wir erinnern an die Opfer. Und wir wollen, dass so etwas nie wieder passiert.

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