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Ein neues Zuhause
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Ein neues Zuhause

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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„Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“. Dieses Zitat aus der Bibel * ist auf dem Obelisken der  documenta 14 zu lesen. Es steht dort in den vier in Kassel am häufigsten gesprochenen Sprachen: Deutsch,  Arabisch, Englisch und Türkisch.  Der Künstler Olu Oguibe macht sich mit seiner Arbeit stark für Zuwendung und Fürsorge gegenüber jenen, die flüchten müssen und verfolgt werden. Ich habe Familie K. kennengelernt. Sie stammt aus dem Irak und gehört zu einer verfolgten Minderheit. Seit etwa zwei Jahren sind Vater, Mutter und die 7 Kinder wieder zusammen. Sie sind in einer kleinen Wohnung untergebracht. 6 Personen schlafen in einem Raum! Mich hat eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Flüchtlingscafés zum Besuch bei der Familie mitgenommen. Wir machten einen unangemeldeten Besuch. Wenn ich mir vorstelle, ich bekomme überraschend Besuch, dann denke ich: Oje, das Haus ist nicht so aufgeräumt ! Soll ich ihn überhaupt reinlassen?
Ganz anders Familie K. Wir wurden in ein kleines, sehr ordentliches Wohnzimmer geführt. Nichts lag herum. Wie schafft man das in einer so großen Familie? Vielleicht klappt das Zusammenleben einer so großen Familie in so wenig Raum nur, wenn alle Ordnung halten.
Die Möbel schauten gebraucht aus. Trotzdem wirkte das Wohnzimmer sehr gastfreundlich. Kleine selbstgebackene Leckereien standen bereit und wurden uns umgehend angeboten.
Ich musste an die Worte des Künstlers Olu Oguibe in einem Video denken. Wenn solche Fremden in eine Gemeinschaft kommen, bringen sie auch etwas mit. Sie bringen ihre Fähigkeiten, sie bringen ihre Kultur, sie bringen ihre Küche mit. Sie erweitern die Gemeinschaft, sie bereichern die Gemeinschaft.
Bei der Familie K. konnte man erkennen: Hier wird immer mit Besuch gerechnet! Die Familie war überaus freundlich und zugewandt, aber auch zurückhaltend, bescheiden und  in gewisser Weise  stolz. Sie sind nicht nur Flüchtlinge, sie sind Menschen mit eigenen Namen und Fähigkeiten und sie wollen es schaffen. Sie wollen ankommen und  in Frieden in Deutschland leben,. Sie bemühen sich die deutsche Sprache zu sprechen. Sie möchten auch lernen, eine Ausbildung absolvieren und arbeiten. Zwei der jüngeren Kinder können durch ihren Schulbesuch schon gut Deutsch und sind darum die Dolmetscher. Die Eltern lernen noch  fleißig die deutsche Sprache. Seit 1 ½ Jahren suchen die Eltern mit ihren teils fast erwachsenen Kindern eine größere Wohnung. Bisher vergeblich.
Mich hat der Besuch bei Familie K. sehr berührt. Kein Klagen über ihre Situation, dafür große Warmherzigkeit. Diese Erfahrung liegt nun schon einen Monat zurück. Aber es vergeht kein Tag, dass ich nicht an die irakische Familie denke und spüre: Da hat sich etwas umgekehrt. Sie haben mich aufgenommen, als ich sie besuchte. Ihre Herzen waren offen und sie haben mir gezeigt, was es heißt: ‘Ich war Fremdling und ihr habt mich beherbergt.‘
* Matthäus 25,31-46

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