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Die Woche zwischen Dunkelheit und Helle
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Die Woche zwischen Dunkelheit und Helle

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Es ist eine eigenartige Woche, die gestern begonnen hat. Sie führt vom Totensonntag, den manche auch als Ewigkeitssonntag bezeichnen, hin zum 1. Advent.

Eine Woche zwischen Tod und Neuanfang

In der Stimmung fühle ich mich in dieser Woche hin und hergerissen. Auf der einen Seite die Erinnerung an den Tod und das Ende des Lebens. Auf der anderen Seite soll mit dem Advent etwas Neues anfangen. Ein Symbol dafür ist das erste Licht am Advent nächsten Sonntag.

Kerzenlichter auf den Gräbern und dann auf dem Adventskranz

Hier das Dunkel, verbunden mit Traurigkeit und Abschiedsstimmung, und dort das helle Licht der Freude und der Hoffnung. Schon dieser Kontrast wirkt extrem. Manchmal kommt mir dieser Gegensatz zu groß vor. Ich bin dann in Versuchung, die Advents- und Weihnachtslichter schon früher anzuzünden. Und dann wird mir klar, dass es ja beide mal Kerzenlichter sind: diejenigen auf den Gräbern und jene auf den Adventskränzen. Sie hängen miteinander zusammen.

Normalerweise sind wir gewohnt, vom Anfang zum Ende zu denken

Aber es geht in dieser Woche noch um mehr als das Gegenüber von hell und dunkel. Eine besondere Kraft erhält sie, weil ich meine gewohnte Sicht umstelle. Normalerweise sind wir gewohnt, vom Anfang zum Ende zu denken. Wir lesen das Buch vom Anfang bis zum Ende, wir hören die Musik in einer unveränderlichen Abfolge der dahinfließenden Töne. Und wir betrachten jedes Leben von der Geburt am Anfang bis zum Ende mit dem Tod. In allen Fällen richtet es sich klar und unmissverständlich aus: Eben immer vom Anfang bis zum Ende.

Diese Woche führt vom Tod zum Leben

Aber in dieser Woche wird die Denkrichtung einfach umgedreht: Sie kehrt die Vorzeichen um und führt vom Tod zum Leben, also vom Ende zum Anfang. Vom Ende zum Neuanfang Das klingt ungewohnt, ist aber sinnvoll. Denn einen wirklichen Neuanfang kann ich nicht machen, ohne das, was gewesen ist. Ohne den Hintergrund. Ich brauche den Blick auf das, was nun zu Ende gehen soll. Ich brauche für den Anfang eines neuen Lebens das Ende des alten Lebens.

 Das Leben aus einer anderen Perspektive betrachten

Aber wie soll das gehen? Vom Ende zum Anfang leben, das widerspricht scheinbar der Logik. Vielleicht ist es tatsächlich nicht möglich, gewissermaßen rückwärts also vom Ende zum Anfang zu leben, aber ich kann doch zumindest so denken! In meinen Gedanken ist es möglich, die Richtung zu ändern. Also mach ich mal ein Gedankenexperiment und betrachte mein Leben so, als läge es abgeschlossen zurück.

Vom Ewigkeitssonntag zum Advent - vom Ende zum Anfang

Wenn ich mein Leben rückwärts vom Ende als ein Ganzes überblicken könnte, welche Schlussfolgerungen würde ich daraus ziehen? Möglicherweise käme ich zu dem Schluss, einiges zu ändern, um meinem Leben eine andere Richtung zu geben. Wahrscheinlich wären mir dann ganz andere Dinge wirklich wichtig und vieles würde ich als Ballast abwerfen, statt mich weiter mit Nebensächlichkeiten zu belasten.

Diese Woche macht genau dieses Experiment: Sie lädt ein, das Leben aus einer anderen Perspektive anzuschauen, eben vom Ende zum Anfang. Vom Ewigkeitssonntag zum Advent. Und das ist eine große Chance.

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