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Das Bunte suchen in trüben Zeiten

Das Bunte suchen in trüben Zeiten

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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So langsam geht es los: Der Frühling kommt! Mir tut das richtig gut - endlich wieder der Duft von Blüten in der Nase und frische Farben in der Natur! Da freu ich mich doch schon so richtig auf Ostern! Normalerweise wäre das: ein feierlicher Gottesdienst, festliches Essen - und natürlich das Eiersuchen mit den Kindern im Garten.

Wenn da nicht… die Corona-Krise wäre. Keiner weiß, wie lange diese Ausnahmesituation noch anhält und ob wir an Ostern tatsächlich aufatmen können. Viele von uns sind verunsichert und haben Angst. Verständlicherweise. Manchmal kommen auch mir trübe Gedanken: Die ganze Situation könnte sich noch verschlimmern, Menschen aus meinem Umfeld könnten infiziert werden, die medizinische Versorgung könnte kippen.

Keine Zeit für trübe Gedanken

Aus dieser negativen Stimmung retten mich zurzeit immer wieder zwei Dinge: einmal die viele wertvolle Zeit, die ich stressfrei zu Hause mit der Familie verbringen kann, ohne Termindruck oder Erledigungszwang. Wir spielen, was das Zeug hält, außerdem bringen wir den Garten auf Vordermann und räumen die Garage auf. Diese gewonnene Zeit ist ein überwiegend positiver Effekt von Corona. Dabei lenken mich die Kinder so ab, da hab ich gar keine Zeit für trübe Gedanken.

Und zweitens fühle ich mich gerade jetzt sehr von meinem Glauben getragen. Es gibt unzählige Stellen in der Bibel, wo Gott den Menschen sagt: „Fürchtet Euch nicht!“ oder ihnen auf irgendeine Weise vermitteln will: „Habt keine Angst, ich bin bei Euch, auch wenn ihr Krisen zu durchstehen habt. Selbst wenn ihr krank werdet, sogar im Tod: Ich bin da.“ Daran glaube ich. Und gerade jetzt, wo nichts seinen gewohnten Gang geht, kann ich das auch ziemlich deutlich spüren.

Unser Familien-Hausgottesdienst

Zum Beispiel morgens beim Frühstück: Da zünden wir eine Kerze an als Zeichen dafür, dass Gott da ist. Im normalen, hektischen Alltag geht dieses Zeichen auch immer wieder mal unter. In diesen letzten Tagen noch nie. Am vergangenen Sonntag haben wir außerdem einen kleinen Familien-Hausgottesdienst am Wohnzimmertisch gefeiert. Da gibt es schöne Vorlagen im Internet. Die Lieder haben wir uns auf Youtube angehört und dazu gesungen. Es war ein ganz besonderer und intensiver kleiner Gottesdienst, den wir heute und die nächsten Sonntage auf jeden Fall wiederholen werden.

Ich glaube, dass Gott durch alle Höhen und Tiefen mit uns geht. Das hilft mir, auch das Positive zu sehen, das diese Krise in unserer Gesellschaft hervorbringt: die unglaubliche Welle der Solidarität zum Beispiel, die vielen Initiativen zur Nachbarschaftshilfe. Das Verständnis vieler Vorgesetzter dafür, wenn man nicht wie gewohnt Leistung erbringen kann, weil man gleichzeitig die Kinder zu Hause betreut.

Du musst schon genau hinschauen

Ich finde, das ist schon ein bisschen wie Ostereier suchen: Ich versuche, ganz genau hinzuschauen und in der momentanen Situation schöne und bunte Momente zu entdecken. Manchmal sind die gut versteckt oder verdeckt, unter Sorgen und Ängsten und trüben Gedanken. Aber wie bei den Eiern an Ostern weiß ich: Irgendwo müssen sie einfach sein! Und wenn ich aufmerksam suche, finde ich sie auch.

Ostereiersuchen, nach den schönen, bunten und kreativen Aspekten Ausschau halten, auch wenn sie versteckt sind: Das ist etwas, was mir auch in anderen Zusammenhängen hilft. Bestes Beispiel: die katholische Kirche, für die ich ja arbeite. Gerade in den letzten Jahren war es nicht leicht, zu dieser Institution zu gehören. Und trotzdem: Auch in dieser Kirche gibt es schöne, bunte Überraschungen zu entdecken! Manchmal muss man halt ganz genau hinschauen, aber sie sind da: Menschen, die den Schwächsten helfen, oftmals ganz unaufgeregt und still. Menschen, die anderen Mut machen und ihnen neue Hoffnung schenken. Menschen, die aus ihrem Glauben heraus leben und handeln und für andere da sind, gerade auch jetzt in der Krise.

Kundschafter nach Schönem, Fruchtbarem und Frohmachendem

In unserer Pfarrei haben wir vor Kurzem eine neue Gruppe gegründet. Ihre Aufgabe ist: Schauen nach dem, was es Schönes, Buntes und Frohmachendes in uns selbst, in unserer Gemeinde und drumherum gibt. Wir nennen diese Gruppe die „Kundschafter“ - nach einem biblischen Vorbild aus dem Alten Testament (vgl. Buch Numeri / 4 Mose 13,1-33). Die Aufgabe der Kundschafter in der Bibel und auch bei uns in der Pfarrei ist dieselbe: Genau hinschauen und trotz schwerer Zeiten das suchen, was an Gutem, Fruchtbarem bereits da ist – und dann: anderen davon erzählen. Ich bin überzeugt: So eine Perspektive brauchen wir in unserer Gesellschaft und auch in unserer Kirche, damit sich alles wieder zum Guten entwickeln kann.

Ich habe gemerkt: Es geht mir auch echt gut, wenn ich durch die Welt gehe mit diesem suchenden Blick - nach den bunten „Ostereiern“ des Lebens, nach den schönen, gelingenden, froh machenden Dingen. Viel besser jedenfalls, als wenn ich mich dauernd mit meinen Ängsten, Zweifeln und Befürchtungen beschäftige. Und: Ich hab dann auch viel mehr Lust drauf, die Ärmel hochzukrempeln und dabei mitzuhelfen, diesen positiven Effekte zu verstärken!

Bonhoeffers Zuversicht

„Energy flows where attention goes“, hab ich mal irgendwo gelesen. Übersetzt heißt das: „Energie fließt dahin, wo die Aufmerksamkeit hin geht.“ Das bedeutet: Die Dinge, denen ich die meiste Aufmerksamkeit schenke, die werden automatisch größer und bedeutender in meinem Leben. Da hat der Apostel Paulus wirklich Recht, wenn er an eine der ersten christlichen Gemeinden schreibt: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Brief an die Gemeinde in Philippi 4,4). Es gibt Menschen, die schaffen es trotz widrigster Umstände, dieser Empfehlung nachzukommen. Zum Beispiel der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer. Wegen seines Widerstands gegen den Nationalsozialismus war er von den Nazis verfolgt, erhielt Rede- und Schreibverbot, saß zwei Jahre im Gefängnis und wurde im Frühjahr 1945 hingerichtet. Sein Glaube war so stark, dass er andere geradezu beschwor: „Freue dich, so viel du kannst, Freude macht stark.“ Und weiter: „Sich freuen heißt, in allem Gott sehen und seine Liebe - dort, wo es heiter und freundlich aussieht, aber auch dort, wo es einmal nicht so geht, wie du es wohl wünschtest. Das ist nicht ganz leicht.“ Soweit das Zitat von Bonhoeffer. Ja, da hat er Recht. Und er weiß, wovon er spricht.

Knifflige Ostereiersuche

Bonhoeffers Aufforderung und der Appell aus der Bibel sind für mich eine echte Stütze in diesen Zeiten, wo die Rede von Freude und Hoffnung nicht immer so leicht über die Lippen geht. Manchmal ist sie schon sehr knifflig, diese „Ostereiersuche“. Trotzdem glaube ich: Das ist die eigentliche Botschaft von Ostern! Das Schöne, Bunte und Frohmachende: das gibt es ganz sicher und das wird es immer geben. Wenn wir danach suchen, finden wir es auch. Das ist Gottes Versprechen. Dieses Versprechen gilt nicht nur an Ostern, sondern auch und gerade jetzt, mitten in der Fastenzeit, mitten in der Krise. Es lohnt sich, die Augen aufzuhalten.

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