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Vom Scheitern
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Vom Scheitern

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Wenn man ganz weit oben ist, kann man auch richtig tief fallen. Das hat der frühere Radrennfahrer Jan Ullrich erlebt. Über seinen Aufstieg und sein Scheitern, auch an eigenen Fehlern, erzählt er in einer Fernsehdokumentation.

Jan Ullrich ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Schon als Kind hat er hart für seinen Traum trainiert. Schneller und schneller wollte er sein. Nur Fahrradfahren hatte er im Kopf. „Ich war schon als Kind immer ein Gewinner, mein ganzes Leben war auf Sieg gepolt“, sagt Jan Ullrich. 1997 hat er die Tour de France gewonnen. Über Nacht war er ein Star. Natürlich hat er die Bewunderung seiner Fans genossen. An diesen Erfolg versucht er in den Folgejahren anzuknüpfen. Er kämpft dabei auch gegen negative Schlagzeilen: Verletzungen, Gewichtsprobleme, Aufputsch-Pillen, Alkohol am Steuer.

2006 ist Jan Ullrich in Topform und will unbedingt noch einmal die Tour fahren und gewinnen. Ein letztes Mal. Doch dann das: Sperre wegen Blut-Doping und Entlassung aus dem Team Telekom, seine Mannschaft feuert ihn. Der einstige Held wird zum Buhmann der Nation. Wenn Jan Ullrich heute darüber redet, spürt man, dass ihm das immer noch weh tut.

Wer scheitert und große Fehler macht, der gilt in der Gesellschaft in der Regel nichts mehr. Jan Ullrich hat das schmerzhaft erfahren. Inzwischen ist ihm ganz deutlich: Er ist für seinen Traum zu siegen zu weit gegangen. Seine Frau sagt: „Auch in der Ehe gab es damals Streit und Tränen.“ Trotzdem war sie ihm eine Stütze und hat zu ihm gehalten. Das hat ihm Kraft gegeben.

Jan Ullrich hat gelernt umzudenken. Niederlagen sind für ihn keine Schwächen mehr, die man mit unsauberen Mitteln ausbügeln muss. Sie kommen einfach vor im Leben. Man kann etwas daraus lernen. Er sagt: „An Fehlern kann man zerbrechen, durch sie kann man aber auch reifen und stärker werden. Ich bin gestärkt aus der Sache herausgegangen“. Seine Frau meint: „Dass wir so viel zusammen geschafft und durchgehalten haben, macht uns stolz.“

Heute greift Jan Ullrich nicht mehr nach den Sternen. Er bietet inzwischen Fahrradtouren und Trainingseinheiten in Österreich, am Bodensee oder auf Mallorca an. Er versucht, jeden Tag zu genießen. Und irgendwie sieht er, dass dabei auch Gott mit am Werk ist. Jan Ullrich sagt: „Ich bin sehr, sehr glücklich. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, gibt’s erst mal ein kurzes Stoßgebet und ein Riesen-Dank, dass ich wieder wach werde und das Leben weiterführen kann. Ich möchte unbedingt auch von meinem Glück so ein bisschen abgeben“. Jan Ullrich ist Gott dankbar für sein Leben auch ohne Rampenlicht. Klingt geerdet und nach Demut. Vielleicht genau die richtige Mischung, um durchs Leben zu gehen. Scheitern inklusive.

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