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Vatertag im Doppelpack
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Vatertag im Doppelpack

Winfried Hahner
Ein Beitrag von Winfried Hahner, Katholischer Pfarrer, Pfarrei Heiligste Dreifaltigkeit, Künzell-Pilgerzell
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Christi Himmelfahrt: Für mich gehört dazu Gottesdienst und Flurprozession und zum Mittagessen Flurgönder. Als gebürtiger Fuldaer und heute als Pfarrer in einer Gemeinde im Fuldaer Land, kenne ich das seit Kindesbeinen nicht anders. Nach der Messfeier zieht die Gemeinde betend und singend durch den Ort in die Natur, - die Flur -, und erbittet Gottes Segen für die Menschen, ihre Arbeit und Wohnungen, das Wachstum auf Feld, Wald und Wiese. Und anschließend gibt es Flurgönder: Roh geräucherten Schwartemagen in einer Schweinsblase. Ein schnelles Gericht, denn nach Messfeier und Prozession geht langes Kochen nicht mehr. Der Schwartemagen wird am Morgen in heißes Wasser gelegt und kann dann während der Wallfahrt sieden. Zum Mittag werden lediglich die Bandnudeln im selben Wasser gekocht - der Flurgönder ist fertig. Eine wunderbare Tradition. Auch wenn ich sonst kein großer Fleischesser bin, mir schmeckt Flurgönder. Einfach köstlich!
Neben Kirchengemeinden zieht es an Christi Himmelfahrt auch Vätergruppen, ausgerüstet mit Bollerwagen und einigen Kisten Bier, in die Natur. Sie feiern ihr Vater sein, Vatertag!
Ich bin gespannt, wie heute Kirchengemeinden und Vätergruppen mit ihren Traditionen umgehen werden. Denn in diesem Jahr ist wohl alles anders. Massenansammlungen verboten! Abstand halten! Gottesdienste nur mit Auflagen!
Übrigens: Kirchengemeinden und Vätergruppen haben das Gleiche im Sinn! Ja, Sie haben richtig gehört: das Gleiche! Beide wollen den Vater ehren! Die einen den irdischen Vater, der Leben weitergibt; die anderen den himmlischen, den, der der Schöpfer des Universums und damit allen Lebens ist.

Musik: King of Instruments, Gherardeschi: "March"

Christi Himmelfahrt zu Ehren Gottes und Vatertag zu Ehren der irdischen Väter. Ich finde es gut, dass für beide Gruppen am gleichen Tag "Vatertag" ist. Denn es gibt Parallelen!
Christen feiern am heutigen Festtag, dass das Leben Jesu, des Sohnes Gottes "rund" geworden ist. Jesus kam von Gott, dem Vater, in unsere Welt und kehrt jetzt aus dieser Welt zu Gott zurück. Ein Lebensweg, der außergewöhnlich begonnen hatte – Weihnachten erinnern wir uns daran. Geboren unter schwierigen Lebensumständen in einem Stall in Betlehem, als Schwerverbrecher am Kreuz auf schreckliche Weise hingerichtet und dann, so der christliche Glaube, den Tod besiegt. Ostern! Ein Lebensweg, der getragen war von der Nähe zu Gott, seinem Vater, mit dem Jesus sich eins empfand. Er wusste um die Liebe des Vaters, die ihn niemals fallen lassen würde. Deshalb konnte er sein eigenes Kreuz tragen, auch wenn ihm zwischendurch immer wieder mal Zweifel kamen. So hat er am Kreuz noch geschrien: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!" Aber wenig später dann: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist."
In allen Lebenssituationen vertrauen können auf einen Gott, der uns Menschen hält, zu dem wir sagen können: Vater unser! So stelle ich mir das Idealbild eines Vaters vor.
So waren und sind ja auch viele Väter! Sie tragen, wenn die kleinen Beine müde werden. Sie sorgen, dass es an nichts fehlt. Sie hören zu und nehmen auch die kleinen Sorgen ernst, die so drückend werden können, wenn man jung ist. Väter machen Mut, eigene Wege zu gehen. Sie halten, aber fesseln nicht. Sie fangen auf, wenn die Kinder fliegen wollen und doch zur Erde zurückmüssen.
Ich glaube, aus solchen positiven Vatererfahrungen entwickelt sich auch unser Vaterbild von Gott! Viele, die einen Vater nie so erlebt haben, können sich auch Gott als Vater kaum vorstellen.
Väter sind wichtig – nicht nur im Kindesalter brauchen wir sie! Und deshalb ist es gut, dass es einen Tag für Väter gibt. Einen Tag, an dem wir sie ehren und ihnen sagen: Gut, dass ihr da seid!

Musik:  Sol Gabetta cantabile, Jacques Offenbach "Promptes a servir la pratique" aus "La Perichole"

Weltlicher und kirchlicher Vatertag passen meiner Meinung nach wunderbar zusammen. Beide ehren den Vater. So wie wir auf einen guten Vater nichts kommen lassen, so verhält sich auch Jesus. Er weiß seinen Weg begleitet von Anfang bis zum Ende. In allen Aussichtslosigkeiten, in allem Schmerz, aller Verlassenheit ist der Vater immer da. Auch wenn Jesus, der Sohn, sich manchmal nicht so sicher war. Nun ist der Sohn am Ziel, zurück zu Hause, im Himmel beim Vater. Dorthin gehören wir alle einmal. Dass Gott uns übrigens auch im Tod nicht fallen lässt, macht ihn für mich und viele andere Christen so besonders.
Nicht fallen lassen, Halt geben, füreinander da sein – das macht die beiden Anlässe des heutigen Tages aus. Wenn ich in die Bibel schaue und den Bericht der Himmelfahrt auf mich wirken lasse, bekomme ich aber zunächst einen Dämpfer. Die Erfahrung der Jünger, die dabei waren, ist am Beginn der Apostelgeschichte nämlich eine ganz andere: Da lässt uns einer allein, da lässt uns einer im Stich…Jesus, so heißt es in der Apostelgeschichte, "wurde vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück." (Apg. 1,9-12)
Die Jünger sind verwirrt. So erlebe ich sie. Sie schauen ihm nach, wie er sich davonmacht. Das kann heißen: Was soll jetzt mit uns werden? Du wolltest doch "alle Tage" bei uns sein! Leben in Fülle hast du uns doch verheißen. Und jetzt bist du weg, ganz weg. Aber die Jünger lernen dazu. Spätestens als der Geist Gottes auf sie herabkommt, verstehen sie: Loslassen, den geliebten Begleiter freigeben, nicht festhalten. Nur so kann es weitergehen. In diesem Loslassen erfahren sie ihre eigene Stärke. Sie entdecken neue Fähigkeiten. Sie vertrauen auf die göttliche Kraft, die sie nicht mehr sichtbar vor Augen haben wie zu den Zeiten, als Jesus bei ihnen war. Jetzt spüren sie diese Kraft als Heiligen Geist.
Loslassen kann schwer sein, aber es macht die Hände frei für Neues. Die Jünger haben es so erlebt. Sonst wäre der Glaube an den Auferstandenen nicht bis in unserer Zeit überliefert worden.
Loslassen, dazu zwingt uns auch die Corona-Pandemie. So manches Liebgewonnene aus unserem Wohlstandsjahrzehnten werden wir vorerst wohl aufgeben müssen: Vielfliegerei, Kreuzfahrten usw. Ob unsere Hände und Köpfe dann frei werden für Neues? Freiwerden in dem Sinn, dass wir bewusster unser Leben gestalten, so dass Leben in Fülle für alle Wirklichkeit werden kann?
Orientieren können wir uns dabei an der Himmelfahrt Jesu und dem Verhalten seiner Jünger. Zuerst hinaufschauen und uns damit bewusst machen: Jesus geht nicht mehr leibhaftig mit uns, aber er gibt uns seinen Geist. Überliefert wird dies an anderen Stellen der Bibel, in der von der Himmelfahrt berichtet wird. "Ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden" so heißt es im Lukasevangelium und weiter: "Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben." (Lk 24,49-51)
Mit seinem Geist gestärkt dann aufbrechen, ihn dort suchen, wo er sich finden lässt. Im Alltag, in den Menschen. Schließlich sind wir alle Schwestern und Brüder, Kinder des einen Vaters, Kinder Gottes. Wenn wir so die Welt gestalten, verkünden wir, dass er lebt, dass er bei uns ist mit seinem Geist, immer und überall, bis zum Ende der Welt. Dann hat die Welt eine Chance!

Musik: Mozart Symphonie Nr. 29 KV 201 A-Dur Menuetto

Jesus ist bei uns. Uns dessen an Christi Himmelfahrt auch im Gottesdienst vergewissern zu können. Auf diese kleine Chance haben wir als Kirchengemeinde in Corona-Zeiten gehofft. So haben wir Ideen gesammelt, wie wir mit all den Einschränkungen zurechtkommen können. Eine Idee haben wir dann favorisiert: Wir feiern auf dem Sportplatz!
Jeder und jede bringt eine Sitzgelegenheit mit, der Platzwart kann mit der Kreide die Abstände markieren, so dass wir in großen Kreisen sitzen können. Außen herum spielen einige Musiker und Musikerinnen unseres Feuerwehrorchesters. Eine Prozession sehen wir nicht vor. Wir stellen um die Gemeinde herum in jeder Himmelsrichtung einen kleinen Altartisch. Im Verlauf des Gottesdienstes gehe ich von einem Altar zum anderen und bete mit der Gemeinde. Einmal für die alten Väter. Diese haben unser Leben auf ihre Weise geprägt. Sie haben vieles richtig, aber sicher auch manches falsch gemacht. Sie sind auf unsere Nachsicht, unsere Vergebung angewiesen. An einem anderen Altar beten wir für die jungen Väter, die ihre Rolle noch suchen. Sie wollen ihren Kindern ein guter Begleiter sein und spüren zusätzlich den Druck der Arbeitswelt. Am nächsten Altar loben und preisen wir Gott unseren Vater, der uns hält und freilässt und in dem wir unser Leben vollenden. Zum Schluss lassen wir uns im Segen Gutes von Gott unserem Vater zusagen. Das bedeutet Segen. Das tut uns gut und gibt uns Kraft für die kommenden Monate.
Diese Kraft wünsche ich uns allen, die wir jetzt über das Radio verbunden sind und all denen, die uns am Herzen liegen.
Dass wir in diesem Jahr bei uns nach dem Gottesdienst nicht gemeinsam Flurgönder essen und zusammensitzen können, ist für mich zwar enttäuschend. Aber verkraften werde ich das sicher! Genießen können wir den Festtag trotzdem, schließlich ist er ein Vatertag im Doppelpack!

Musik: King of Instruments,  L. Lefebure-Wely – Bolero de Concert 

Musikauswahl: Pfarrer Winfried Hahner, Künzell-Pilgerzell

 

 

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