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Poesiealbum
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Poesiealbum

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen
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Haben Sie´s noch? Ihr Poesiealbum? „Poesie schadet nie!“, meinte unsere Deutschlehrerin. Vielleicht gehören Sie auch schon zu der Generation, wo es eher Freundschaftsbücher so mit Steckbriefen gab: Name, Haarfarbe, Hobbies, Lieblingsmusik und Co. Ich bin da noch „old school“, wie man neuhochdeutsch sagt. Heißt: In meiner alten Grundschule haben wir uns eben noch Poesiealben weitergereicht. Da gehörten Sprüche rein. Gedichte eben. Oder was man dafür hielt.

„In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken!“, kommt jetzt dichterisch nicht ganz an Goethe heran: Aber irgendwie trotzdem schön, heute zu lesen, was mir Susanne in der 3. Klasse wünschte. In möglichst vielen Lebenswinkeln von Liebe umgeben zu sein, ist ein guter Wunsch.
„Lebe froh und lebe heiter, wie der Frosch auf seiner Leiter!“ – geschenkt. Auch das „Lieber Norbert, ich schreib´s in bunt: Bleib gesund!“

Aber dann blättere ich die Seite auf, die meine Lieblingslehrerin geschrieben hat. Sie hat etwas von Eugen Roth ausgesucht. Den Spruch habe ich damals als Grundschüler nicht richtig verstanden, aber auswendig gelernt: „Ein Mensch in seinem ersten Zorn, wirft leicht die Flinte in das Korn! Doch wenn ihm dann der Zorn verfliegt, die Flinte wo im Korne liegt?! Der Mensch bedarf dann mancher Finte, zu finden eine neue Flinte!“ Was das ist: Die Flinte ins Korn werfen und aufgeben, habe ich erst später verstanden. Wie schnell ich in Rage etwas über Bord werfe, gute Prinzipien aufgebe  oder andere in die Wüste wünsche. Und wie mir all das Leid tut, wenn der Zorn verfliegt. So ist der Mensch. Wie viele Freundschaften sind durch Wutausbrüche und Unbedachtes kaputt gegangen, wie viele Ehen und Familien? Und wie schwer ist es, etwas wieder oder neu erfinden zu müssen?

Die Bibel ist an manchen Stellen auch ein Poesiealbum. Es gibt darin ein Extrabuch mit Sprüchen und Weisheit. Da klingt der Spruch meiner Lehrerin so: „Die Einsicht eines Menschen zeigt sich in seiner Geduld. Ein Ruhm ist es für ihn, Verfehlungen zu verzeihen.“ (Sprüche 19, 11). Also: Übe Geduld und Verzeihen. Das versteht jeder. Eine gute Lebensschule. Geduld und Verzeihen üben - das ist ein Gedicht für´s Leben! Da wird das Leben zu einem Gedicht: Für mich selbst und andere!
Solche Poesie schadet nie!

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