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Musik, wenn die Seele trauert
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Musik, wenn die Seele trauert

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt
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In der Trauerhalle saßen nur wenige Menschen, Corona bedingt. In der ersten Reihe der Witwer mit den beiden erwachsenen Kindern. Dahinter die engsten Angehörigen. Alle auf Abstand. Vorne brannten Kerzen, in ihrer Mitte stand eine schöne Urne, umkränzt von Rosen. Und dann kam das Lied: „Für dich soll’s rote Rosen regnen“.

"Für dich soll’s rote Rosen regnen"

Im Trauergespräch ein paar Tage vorher hatten sie mir erzählt: Dieses Lied von Hildegard Knef war ihr Lied. Zum ersten Hochzeitstag hatte er für seine Frau einen großen Strauß rote Rosen gekauft, Kerzen angezündet und dieses Lied aufgelegt: Für dich soll’s rote Rosen regnen. Seitdem hatte das Paar an jedem Hochzeitstag zusammen mit diesem Ritual gefeiert, mit Rosen, dem Lied von der Knef und oft auch einem kleinen Tanz dazu. 28 Jahre lang.

Musik mit vielen Erinnerungen und Gefühlen

Unser Trauergespräch war an dieser Stelle intensiv geworden. Dem Mann, der nun Witwer geworden war, kamen die Tränen. Die Tochter, die auch dabei war, legte ihren Arm um den Vater. Und es war klar: Dieses Lied soll im Trauergottesdienst gespielt werden. Eine Musik, die zur Geschichte dieser Familie gehört, mit vielen Erinnerungen und tiefen Gefühlen.

Musik kann trösten

Auch wenn so eine Erinnerung erst mal schmerzlich ist, einem klar wird, dass dieser Moment nie wieder kommen wird, weil der geliebte Mensch verstorben ist, kann Musik in der Trauer tröstlich sein. Und jede Träne, die man weint, ist wichtig auf dem Weg durch die Trauer und hilft, das Unausweichliche anzunehmen.

Musik bei der Trauerfeier kann etwas vom Leben der Verstorbenen ausdrücken

Musik drückt etwas davon aus, wie das Leben war, das zu Ende gegangen ist. „Für dich soll’s rote Rosen regnen, dir sollten sämtliche Wunder begegnen.“ Der Mann wollte es seiner Frau zu Lebzeiten so schön wie möglich machen. Und die beiden haben viel Schönes miteinander erlebt. Wunder in 28 Jahren Ehe – das waren ihre zwei Kinder, die sie haben groß werden sehen, die innigen Momente, die die beiden in all den Jahren immer wieder miteinander erlebt haben.

„Für dich soll’s rote Rosen regnen.“ Da klingt leise eine Hoffnung über den Tod hinaus mit: Dass die Verstorbenen es gut haben, wo immer sie ist. Dass dort Wunder auf sie warten. In der Bibel steht: „Die Liebe hört niemals auf.“ (1. Korinther 13,8)

Songs zum Abschied sind auch Erinnerung

Songs zum Abschied. Sie sagen etwas darüber, wie die und der Verstorbene gelebt hat, was er liebte, wovon sie geträumt hat. Und sie drücken aus, was bleibt: die Erinnerung, die Liebe, die Hoffnung, dass es ein Leben nach dem Tod gibt – für die Verstorbenen, aber auch für die Hinterbliebenen. Denn ihr Leben geht weiter. Anders. Aber weiter.

"Der Weg" von Herbert Grönemeyer - auch ein Abschiedssong

Welche Lieder und welche Musik sucht man aus, wenn jemand gestorben ist? Für Trauergottesdienste, die ich als Pfarrerin halte, wünschen sich manchmal die Angehörigen den Song „Der Weg“ von Herbert Grönemeyer. Grönemeyer hat das Lied aus eigener Trauer heraus geschrieben. 1998, da waren kurz nacheinander erst sein Bruder und dann seine Ehefrau gestorben. Der Song drückt aus, was einige Trauernde empfinden: „Das Leben ist nicht fair.“

Das Leben ist nicht fair

Das gilt besonders, wenn jemand viel zu früh gestorben ist. Aber auch bei einem Tod hochbetagt kann es sich so anfühlen: Warum hat sie oder er so leiden müssen? Und: Warum bin ich jetzt allein in der Wohnung, die mir leer vorkommt ohne den vertrauten Menschen, allein mit der Aufgabe, so vieles zu regeln und zu schauen, wie ich weiterleben kann? Das Leben ist nicht fair.

"Wir haben versucht, auf der Schussfahrt zu wenden"

Grönemeyer und seine Frau wussten, dass sie sterbenskrank ist. Aber wie viele in ihrer Situation haben sie immer wieder gehofft, dass sie dem Tod noch Zeit abringen können. Dass sie die Zeit, die ihnen bleibt, so erfüllt wie möglich erleben. Grönemeyer singt: Wir „haben den Regen gebogen. Uns Vertrauen gelieh'n. Wir haben versucht, auf der Schussfahrt zu wenden. Nichts war zu spät, aber vieles zu früh.“

Manchmal ist im endlichen Leben etwas von der Unendlichkeit zu spüren

Ich erlebe bei Trauergottesdiensten: Es kann helfen, wenn jemand ausspricht: Sterben ist hart. Grönemeyer tut es in seinem Song „Der Weg“. Der Fügung die Stirn bieten. Den Plan vom Glück nicht verraten. Das Leben ist nicht fair. Aber das Leben ist auch wunderschön, obwohl oder weil es endlich ist. Grönemeyer textet: Wir haben „den Film getanzt in einem silbernen Raum, vom goldenen Balkon die Unendlichkeit bestaunt“. Manchmal ist hier in diesem endlichen Leben etwas von Unendlichkeit zu spüren, ein Stück vom Himmel.

Am Ende der Trauer geht man zurück ins eigene Leben, das nunso anders weitergeht

Grönemeyer bleibt in seiner Trauer nicht stehen. Er singt: „Hab' meine Frist verlängert. Neue Zeitreise. Offene Welt. Habe dich sicher in meiner Seele.“ All das, was man miteinander erlebt hat, ist nicht weg. Man trägt es in sich. Und geht damit den eigenen Weg weiter. Grönemeyer richtet im Song über seine Trauer auch den Blick nach vorne: Am Ende geht man weg von den Gräbern, zurück ins eigene Leben, das nun so anders weitergeht.

"Habe dich sicher in meiner Seele"

Grönemeyer singt: „Habe dich sicher in meiner Seele.“ Das ist eine Antwort auf die Frage: Wo sind die Toten? Sind sie nur noch Erinnerung und ganz und gar weg, wenn niemand mehr an sie denkt? Sind sie nur noch die Überreste, die wir zu Grabe tragen: der tote Körper im Sarg, die Asche in der Urne? Was ist mit dem Atem und dem Lachen des Verstorbenen geschehen? Wo bleibt die Liebe, die eine Mutter für ihre Kinder hatte? Wo der entschiedene Ton des Vaters, der immer allen gesagt hatte, was zu tun ist? Ihre Kraft hat Häuser gefüllt und Familien in Trab gehalten. Nun fehlen sie. Haben sie irgendwo, irgendwie jenseits ihren Ort?

"Somewhere Over The Rainbow" - ein Lied von Sehnsucht und Frieden

Wo sind unsere Verstorbenen? Es gibt Songs zum Abschied, die fragen danach und singen von der Sehnsucht nach einem Jenseits, erfüllt von Frieden und Licht. Für mich ist der Song „Somewhere Over The Rainbow“ so ein Lied. Das gesamte Stück wird von einer sanften Stimme und einer Ukulele getragen. Das vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit und Harmonie. Irgendwo jenseits des Regenbogens ist der Himmel blau und die Träume, die du wagst zu träumen, werden Wirklichkeit. Irgendwo, irgendwann wird alles Schwere leicht.

Ein schönerer und besserer Ort für die Toten, frei von Schmerz und Leid

Vom Himmel über den Häusern wird erzählt, von einem Stern jenseits der Wolken. Und das ist ja, was viele sich wünschen, wenn ein geliebter Mensch stirbt: dass dieser nach dem Tod an einen schöneren, besseren Ort kommt. Frei von Leid und Schmerz.

Am Ende kehrt man zurück zu Gott

Das Lied „Somewhere Over The Rainbow“ entstand schon 1945, kurz nach dem Krieg, als überall so viel Trauer war. Es wird seitdem immer wieder neu interpretiert. Ich glaube, weil Menschen bis heute Sehnsucht nach dieser Hoffnung haben: Irgendwo jenseits ist ein Ort, der jede Grenze übersteigt. Früher sagte man, ein Verstorbener ist nun „heimgegangen“. Gemeint ist damit: Die Toten kehren zu Gott zurück. Kein Mensch erdenkt sich selbst, sondern kommt als Geschöpf Gottes zur Welt. Und am Ende kehrt man zurück zu Gott.

Der Himmel ein Ort des ewigen Friedens

„Somewhere Over The Rainbow“ – der Raum jenseits des Regenbogens. Ein anderes Wort dafür ist „Himmel“. In der Bibel wird der Himmel als ein Ort des ewigen Friedens beschrieben, wo es kein Leid, keine Angst, keinen Krieg und keine Krankheiten mehr gibt. (Offenbarung 21,1-5) Mich trösten Worte und Lieder, die sich vorstellen, wie schön das jenseitige Land hinter dem Regenbogen ist.

Lieder können in der Trauer helfen und Mut machen

Ich glaube, solche Songs helfen in der Trauer. Sie können einem Mut machen, den eigenen Weg weiterzugehen, mit aller Trauer und zugleich getragen von der Hoffnung: Die Toten sind geborgen bei Gott – genauso wie wir Lebenden. So, wie Gott die Toten in seine Ewigkeit aufnimmt, so begleitet er die Lebenden. In traurigen und in guten Tagen. Immer und ewig.

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