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John Denver: "Leaving on a Jetplane"
Pixabay/Gerhard Gellinger

John Denver: "Leaving on a Jetplane"

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt
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hr1 Sonntagsgedanken-Sommerreihe "Mit Popsongs auf Sinnsuche: Aufbruch"

„Mein Flieger geht jetzt bald. Und ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde. Oh mein Schatz, es ist so furchtbar, dass ich jetzt weg muss.“

„Leaving on a Jetplane“ – Für mich war dieser Song von John Denver früher der Inbegriff von Lust auf eine Weltreise. Mit einem Flugzeug zu verreisen – das war in den siebziger Jahren noch besonders. Wenn wir überhaupt mal in den Sommerferien verreist sind, dann mit einem ziemlich vollgestopften Auto, vorne die Eltern, hinten wir drei Kinder, zwischen uns Gepäckstücke. Fliegen – das klang für eine große Familie damals luxuriös und war es ja auch noch.

Aber John Denver singt hier nicht von einer entspannten Urlaubsreise. Sondern von einem Aufbruch, dem er schweren Herzens entgegen geht. Er muss los, weg von Zuhause, weg von seiner Freundin. Davon singt John Denver in „Leaving on a Jetplane“: Seine Freundin schläft noch, er weckt sie im Morgengrauen, um sich zu verabschieden.

„Meine Taschen sind gepackt, gleich muss ich los. Ich stehe hier vor deiner Tür und finde es furchtbar, dich zu wecken um mich zu verabschieden. Der Morgen dämmert erst herauf, es ist noch so früh. Das Taxi wartet draußen auf mich und hupt. Ich fühl mich jetzt schon so einsam, dass ich sterben könnte.“

John Denver holt uns Zuhörer direkt in diesen Flur. Er lässt einen die Nähe zu seiner Freundin ganz stark mitfühlen. Das ist die große Stärke von John Denver. In seinen Songs werden ganz oft die ganz alltäglichen Gefühle von ganz normalen Leuten erzählt. Hier ist es ein Mann, der gleich zum Flughafen aufbricht und sich noch einen Kuss wünscht von seiner Freundin.

„Also küss mich und schenk mir noch ein Lächeln. Sag mir, dass du auf mich warten wirst. Umarme mich, als würdest du mich gar nicht gehen lassen wollen.“

Manchmal muss man aufbrechen, obwohl man nicht will. Das erleben zum Beispiel viele Wochenendpendler oder Leute, bei denen viele Dienstreisen zur Arbeit gehören: Sonntagabend oder spätestens am Montag in aller Frühe müssen sie wieder weg von Zuhause.

Dieser Song stammt aus dem Jahr 1966. John Denver hat ihn geschrieben voller Gefühle. Das spürt man beim Hören. Aber er verrät nicht, warum und wohin er fliegen muss. Er hasst es, wegzugehen. Aber die Sache, die ihn da wegruft, erwähnt er nicht.

John Denver wurde oft vorgeworfen, er sei unpolitisch. Seine Songs bedienen Gefühle wie Heimatverbundenheit, Sehnsucht und Liebe. In „Take me home, Country Roads“ zum Beispiel beschreibt er die Fahrt auf einer Landstraße nach Hause, seine Vorfreude, die Erwartung seiner vertrauten Welt dort in den Rocky Mountains. Es wurde sein vielleicht berühmtester Song. John Denver liebte die Rockies!

Aber eigentlich war er dort gar nicht fest verwurzelt. Seine Kindheit war geprägt von zahllosen Aufbrüchen und Abschieden. Seine Sehnsucht danach, anzukommen, drückt sich auch in seiner Namenswahl aus. Denn er wurde 1943 als Henry John Deutschendorf jr. geboren. Er hatte einen deutschamerikanischen Vater, der damals in New Mexico lebte. Erst viel später nannte er sich John Denver nach der Hauptstadt des US-Bundesstaates Colorado.

Sein Vater war Luftwaffenpilot beim US-Militär. Immer wieder wurde er woanders stationiert. So war die Familie zu häufigen Wohnortwechseln gezwungen. Die Stationen des jungen John waren über die ganzen USA verstreut: Arizona, Oklahoma, Alabama.

Mit diesem Wissen höre ich „Leaving on a jetplane“ anders. Als das Lied entstand, tobte der Vietnamkrieg. Die Vereinigten Staaten unterstützen den kapitalistischen Süden Vietnams im Bürgerkrieg gegen Nordvietnam, das kommunistisch regiert wurde. 1966 flogen die USA bereits ein Jahr lang Bombenangriffe gegen Nordvietnam. Aus den gesamten Vereinigten Staaten wurden Truppen rekrutiert und mussten sich nach ihrem Gestellungsbefehl an den Standorten einfinden. Vor dem Hintergrund dieser Zeit klingt für mich auch diese Wehmut der abreisenden Soldaten mit.

John Denver könnte jetzt schon vor Einsamkeit sterben, singt er. Peter, Paul and Mary haben John Denvers Lied ein Jahr später gecovert. Diese Version wurde noch populärer. In ihr wurde ein Wort geändert. Aus „I could die“ wurde „I could crie“, das „sterben“ wurde in das weniger anstößige „weinen“ umgewandelt.

Viele Soldaten wurden für Monate aus ihrem Zuhause und damit auch aus ihren Beziehungen gerissen. Sie konnten nur darauf vertrauen, dass die Partnerin Zuhause ihnen treu bleiben würde. Genau das beschwört auch John Denver in diesem Lied. Er macht der Frau seines Herzens ein Versprechen.

„So oft habe ich dich enttäuscht. So oft war ich nicht für dich da. Aber das tut mir leid, ich habe das nicht so gemeint. Denn überall, wo ich bin, werde ich an dich denken. Jedes Lied, das ich singe, singe ich für dich. Und wenn ich zurückkomme, bringe ich dir einen Hochzeitsring mit.“

Im Song bleibt offen, wer da aufbricht. Vielleicht ist es ein Soldat auf dem Weg zum Kampfeinsatz, vielleicht einfach jemand vor einer Geschäftsreise. Oder John Denver selbst vor einer Tournee. Aber seine Worte berühren bis heute viele Menschen.

Im Grunde beschreibt er, was es heißt, gut und in Frieden Abschied zu nehmen. Vor allem, wenn man eigentlich gar nicht weg will, aber muss.

Zu so einem Abschied gehört der Rückblick auf das, was war. Auch auf das, was vielleicht schlecht gelaufen ist. Es gehört auch der Ausblick auf das Wiedersehen dazu. Also eine Entschuldigung und ein Versprechen.

Er entschuldigt sich bei seiner Freundin dafür, sie so oft enttäuscht zu haben. Er wirbt um Verständnis, indem er sagt, was ihm eigentlich wichtig ist: Dass er in Gedanken immer mit ihr verbunden bleibt, ganz oft an sie denken wird, auch bei dem, was er tut, zum Beispiel wenn er singt. Und dann macht er ihr noch ein besonderes Versprechen. Wenn er zurückkommt, will er ernst machen mit dieser Beziehung. Er will ihr einen Trauring mitbringen, also heiraten.

Vielleicht ist das eigentlich Wichtige bei so einem unfreiwilligen Abschied, Rückblick und Ausblick. Dann kann man unbelastet nach vorne schauen und von einer behüteten Zukunft träumen. So, wie es John Denver hier der Freundin, die er vorübergehend verlassen muss, auch verspricht.

„Jetzt, wo es soweit ist und dich hier zurücklassen muss, will ich dich noch einmal küssen. Schließe deine Augen! Ich bleibe unserem Weg treu, und träume von den Tagen die kommen werden, wenn ich nicht länger allein weggehen muss, wenn ich nicht mehr sagen muss …“

Sich zum Abschied umarmen, noch einmal die Liebste küssen. Dazu noch klären, was offen ist – das sind kleine und doch wichtige Abschiedsrituale. Sie geben bei allem, was unterwegs zu tun ist, Kraft. Ich weiß, da ist ein Zuhause ist, wo jemand auf mich wartet. Ich kann darauf hoffen, bei der Rückkehr auch wieder mit einer Umarmung begrüßt zu werden. Und dann davon träumen, dass man nur noch gemeinsam aufbricht in Zukunft.

Für mich ist das wie ein guter Reisesegen. Egal, wohin und warum man wegfliegen oder wegfahren muss. Die Liebe verbindet - auch über die Entfernung hinweg.

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