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Kanal oder Schale?
Caleb Oquendo/Pexels

Kanal oder Schale?

Daniel Lenski
Ein Beitrag von Daniel Lenski, Evangelischer Pfarrer, Königstein-Falkenstein
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Heute ist Freitag. Endlich Zeit fürs Wochenende! Nach einer anstrengenden Arbeitswoche freue ich mich auf ruhige Momente mit meiner Familie und auch für mich alleine. Zumindest nehme ich mir das oft vor.

Oft sind die freien Tage schon verplant

Manchmal werden die Wochenenden tatsächlich ruhig. Oft sind die freien Tage aber auch schon seit langem verplant: Einkäufe, Treffen mit Freunden, endlich die quietschende Tür reparieren. Meine eigene Geschäftigkeit geht samstags und sonntags oft weiter, nur ein wenig anders.

Ein Zitat von Bernhard von Clairvaux

Ein altes Zitat hat mich ins Nachdenken gebracht. Es stammt von Bernhard von Clairvaux. Er lebte vor 900 Jahren. Schon damals machte er sich Gedanken über die Geschäftigkeit seiner Zeit. Er sagte:

Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal. Der Kanal empfängt und gibt fast gleichzeitig weiter. Die Schale wartet, bis sie erfüllt ist. Auf diese Weise gibt die Schale das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter […]. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird zur See.

Kanal oder Schale?

Dieses Bild ist einfach, aber ich finde es doch sehr treffend: Ein Kanal erfüllt seine Funktion, in dem er Wasser durchfließen lässt. Eine Schale gibt erst Wasser ab, wenn sie selbst gefüllt ist.

Ein Kanal gibt ständig ab...

Oft fühle ich mich wie solch ein Kanal, und ich glaube, das geht vielen Menschen so. Der Druck ist groß, ständig und immer sofort „output“ zu produzieren. Im Beruf, in der Freizeit. Andere erwarten, dass ich viel leiste, Mails schnell beantworte und umgehend zurückrufe. Zumindest glaube ich das oft. Und gönne mir wenige Momente, in denen ich mich einfach einmal hinsetze, etwas lese oder gute Musik höre.

Eine Schale gibt erst ab, wenn sie voll ist

Bei der Schale ist das anders. Erst wenn sie gefüllt ist, beginnt sie mit ihrer Arbeit. Für mich kann das bedeuten, mich erst umfassend zu informieren und über ein Thema nachzudenken, bevor ich handle. Außerdem: Wenn man selbst erfüllt, ausgeruht und glücklich ist, dann fällt es viel einfacher, im Beruf kreativ und in der Familie liebevoll zu sein.

Bernhard von Clairvaux als Vorbild

Bernhard von Clairvaux hat versucht, in seinem Leben eher Schale als Kanal zu sein. Er stammte aus einer adeligen Familie und hatte eine gute Ausbildung. Viele Wege hätten ihm offen gestanden. Doch er entscheidet sich dafür, ins Kloster zu gehen. Damit war ein strenger Tagesablauf verbunden Er hatte aber auch viele Zeiten zum Beten und Nachdenken. Trotzdem ist Bernhard in seinem Leben nicht untätig gewesen: Er gründete neue Klöster, predigte gerne und verfasste viele Schriften.

Auf die eigene Balance achten ist wichtig

Die Worte Bernhards machen Mut, immer wieder auf die eigene Balance zu achten. Ist genug Wasser in der eigenen Schale, um nächste Woche wieder engagiert zu arbeiten? Nehme ich mir ausreichend Zeit, um alle Perspektiven wahrzunehmen? Kann ich aus dem Vollen schöpfen, um kreativ und liebevoll zu sein? Mit Sicherheit lohnt es sich immer wieder, die eigene Schale aufzufüllen. Vielleicht ja schon an diesem Wochenende.

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