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Joggen am See
Bild: skeeze auf pixabay

Joggen am See

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg

Tagung in einer fremden Stadt. Nach Vorträgen und Diskussionen, Begegnungen und Gesprächen freue ich mich auf einen ruhigen Nachmittag. Mit dem Fahrrad, das ich im Tagungshaus ausleihe, bin ich rasch am Rand der Altstadt. Ein kleiner Badesee lädt zum Verweilen ein. Zwei oder drei Ausflugslokale haben geöffnet, rasch finde ich einen freien Tisch und freue mich auf ruhige Gedanken.

Während ich da sitze, bemerke ich: Der kleine See ist offenbar das Ziel vieler Spaziergänger und Läufer. Vor allem die Jogger fesseln rasch meine Aufmerksamkeit. Wie unterschiedlich sie am Start sind. Schwere Schritte nehme ich bei einem ersten wahr. Man spürt förmlich, wenn seine Füße den Boden berühren. Eher tänzerisch und scheinbar mühelos folgt ihm ein anderer. Eine Joggerin imponiert durch ihr Outfit: Wie elegant! Auch ihr Laufstil passt irgendwie dazu.
Staunend stelle ich fest, wie bunt die Palette der Laufenden ist: Grazile Bewegungen prägen den Laufstil eines Joggers. Fast zerbrechlich wirkt es, wenn er die Füße vorsichtig auf den Weg setzt. Athletisch sieht das gleiche bei einem anderen aus: Kraftvoll und in einem klaren Rhythmus bewegt er sich vorwärts, als wenn es ihn keine Mühe kostet. Einen irgendwie verbissenen Eindruck macht einige Minuten später ein weiterer joggender Passant. Erschöpfung zeichnet einen Läufer, völlig verschwitzt sieht ein anderer aus.
Manche laufen alleine, daneben sehe ich Freunde und Paare im regen Austausch miteinander. Kopfhörer oder Ohrstöpsel verraten, dass manche sich musikalisch begleiten lassen. Vielleicht hören sie auch Podcasts oder ein Hörbuch während des Laufens. Einen Radfahrer sehe ich, der neben einem Jogger als Begleitung am Start ist. Ich bin beeindruckt von solcher Vielfalt. Schlendernd sehe ich manche, andere, den Kopf in den Nacken gelegt, sind mit hohem Tempo unterwegs. 
Alle tun das Gleiche, sie joggen. Aber nein, eigentlich tun alle etwas anderes. Manche entspannen sich und genießen, andere treiben Sport, unternehmen etwas mit Freunden, oder aber sie verarbeiten Erlebnisse, mühen sich ab.
„Wie wird mein Tag werden heute?“, frage ich mich am Morgen. Vieles ist vorgegeben, aber wie ich ihn gestalte, wie ich durch ihn „hindurch joggen“ werde, habe ich das nicht selbst in der Hand?, Ein bisschen wenigstens?
Muss ich mich abmühen? Kann ich nicht auch entspannt, Stunde um Stunde absolvieren, Begegnungen und Erledigungen, Arbeit und Freizeit? Wie leicht werden meine Schritte sein? Kann ich an meinem „Laufstil“ durch diesen Tag, durch mein Leben Korrekturen vornehmen?
Der Blick auf die Jogger hat mich neugierig gemacht und nachdenklich. Warum nicht mal etwas anders machen, Veränderungen versuchen, mich zu Variationen ermutigen lassen?  Ein neuer Tag, eine neue Chance. Versuchen kostet nichts.

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