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Es ist gut, dass immer jemand da ist
Bild: Henning Westerkamp auf Pixabay

Es ist gut, dass immer jemand da ist

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Das Städtchen Laubach, dessen Bürger ich bin, sorgt sich um seine Zukunft. Der kleinen Stadt am Rande des Vogelsberges und den acht Dörfern, die zu ihr gehören, geht es wie allen Kommunen im ländlichen Raum: Es ziehen junge Menschen wegen ihrer Ausbildung oder einem Arbeitsplatz in die Städte. Es sterben mehr Menschen als geboren werden. Wir werden weniger und älter – das nennt man den demografischen Wandel.

Irgendwann macht dann der Letzte das Licht aus. So lautet die düstere Prognose. Was ist zu tun? Kann man dagegen steuern? Das soll in dem zehn Jahre dauernden Entwicklungskonzept überlegt werden. Wie können wir Menschen gewinnen, die leer stehende Häuser wieder zu bewohnen? Vielleicht junge Familien anlocken, die im Dorf und der schönen Landschaft rundherum mit ihren Kindern gerne leben?

Behörden und eine auswärtige Beratungsfirma begleiten das Programm. In jedem Dorf und in der Stadt sollten interessierte Bürger die Stärken und Schwächen des Ortes analysieren. Was ist bei uns gut und könnte damit Menschen einladen, hier zu leben? Was müsste verändert oder verbessert werden? Es machten überall Leute mit, aber nur Erwachsene, keine Kinder. Ich meine: Man müsste gerade die Kinder nach ihren Ansichten und Meinungen fragen. Was finden sie so gut und schön, dass es sie zum Bleiben einladen könnte?

Wir haben Kinder in unserer Dorfschule gefragt. Sie haben ihre Gedanken in ein großes Bild gemalt und manchmal mit Worten kommentiert. Schön fanden die Kinder die gepflegten alten Fachwerkhäuser im Dorf; die muss man erhalten. Genauso die Landschaft ums Dorf. "Im Wald können wir spielen und Budchen bauen", " ich kann mit dem Nachbarn auf dem Traktor fahren und seine Tiere füttern helfen". Überall auf dem Bild waren Tiere zu sehen, besonders die Pferde stehen hoch im Kurs.

Auch ihre Schule haben die Kinder gemalt. Die Meinung dazu: Es ist gut, dass wir zur Schule gehen können und nicht erst mit dem Bus hinfahren müssen. Eine Bemerkung hat mich besonders beeindruckt: "Es ist schön, dass immer jemand da ist". Das Kind ist, wie andere auch, oft nachmittags in der Schule – in der Betreuung, wie wir dazu sagen. Die Mutter ist tagsüber weg, zur Arbeit. Großeltern hat es nicht vor Ort.

Doch wenn es aus der Schule weggeht, findet es immer jemanden, der da ist – Nachbarn, zum Beispiel, die Familie eines Mitschülers, eine Gruppe im Sportverein oder der Feuerwehr. Manchmal besucht es jemanden im Dorf, den es kennt oder es kommt zu uns: Es ist immer jemand da.

Das ist der große Wunsch für mein Dorf als Lebensraum. Es ist immer jemand da, der dich kennt und zu dem du gehen kannst. Du wirst nirgends abgewiesen. Du musst nicht die Angst haben, einsam zu werden. Du gehörst in die Gemeinschaft, in der jede und jeder einen Platz hat, dazugehört, beheimatet ist. Beheimatet ist man in einem Dorf, wenn man sich am Leben beteiligt und einbringt. Das kann gelingen, wenn man sich so verhält wie das Kind aus unserer Schule. Es geht auf Menschen zu, sucht sie auf, findet Kontakt. Ein schönes Bild für die Zukunft des Dorfes, finde ich: Es ist immer jemand für dich da!

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