
Mit der Hand eines Mädchens
Er ist etwa fünfzig Jahre alt und stark übergewichtig. Sein Gang ist schwer. Er will über die Schienen der Straßenbahn. Vielleicht in das Geschäft gegenüber. Er bleibt aber stehen, schaut nach links und rechts, wirkt ängstlich. So steht er, unschlüssig.
Es geht nicht vor und nicht zurück.
Ein Mädchen kommt und hilft
Vor irgendwoher kommt ein Mädchen. Ich habe nicht darauf geachtet. Das Mädchen, vielleicht zwölf Jahre alt, geht zu dem Mann. Vielleicht kennen sie sich, das kann ich nicht erkennen. Sie bleibt neben dem Mann stehen und sieht ihn von oben bis unten an. Der Mann sieht zurück. Auf einmal nimmt das Mädchen die große Hand des Mannes. Sie zieht ihn ein wenig daran. Dann gehen sie über die Schienen. Die Schritte sind klar und fest.
Es gibt Bilder von Menschlichkeit, da bleibt einem der Atem stehen. Vor Schönheit und Glück. Es ist, als leuchte etwas. Eine andere Welt in dieser Welt, mitten in der geschäftigen Straße. Da ist plötzlich Ruhe - und selbstverständliche Liebe. Dabei ist nichts selbstverständlich im Leben. Aber hier sieht es so aus.
Solche Liebe ist immer ein Wunder
Das Mädchen begleitet den Mann; fürsorglich, liebevoll. Wenn solche Liebe geschieht, ist sie immer ein Wunder. Und hilft uns, das manchmal schwere Leben zu bestehen.
Als Mann und Mädchen drüben angekommen sind, lassen sie ihre Hände los. Die Gefahr ist vorbei. Ich bin froh, das gesehen zu haben. Es kommt mir vor, als habe Gott sein Werk getan. Mit der Hand eines Mädchens.