
Wenn Gott mal vorbeischaut
Er sieht so aus, wie man sich Gott vorstellt. Alt, groß - weißes Haar und einen sehr langen, weißen Bart. Er trägt einen braunen Mantel, der schon bessere Tage gesehen hat. So steht er in der Fußgängerzone. Ganz still. Und bettelt. Wenn Menschen in seine Nähe kommen, streckt er eine Hand aus und hofft, dass jemand etwas hineinlegt. Viele gehen vorbei, legen nichts in seine Hand. Dann lässt der Bettler seine Hand kurz hängen, damit sie sich entspannt. Der aussieht wie der liebe Gott, bleibt geduldig. Ich sitze auf einer Parkbank und sehe von Ferne zu.
Schaut Gott einfach mal bei uns vorbei?
Es kann ja sein, denke ich, dass Gott wirklich mal bei uns vorbeischaut; mal nach dem Rechten sehen will. Dann setzt er sich vielleicht in ein Café, falls er Geld dabeihat. Oder macht einen Spaziergang durch den Park, am See entlang. Kann aber auch sein, dass er einfach dasteht mit seinen weißen Haaren und bettelt. Dann streckt er still die Hand aus und hofft. Ist einer von den geringsten Schwestern und Brüdern, von denen Jesus uns erzählt. (Matth. 25,40). Könnte ja sein.
Lieber genau hinsehen
Zum Glück bin ich weiter weg, denke ich auf meiner Bank. Ich weiß nämlich nicht, was ich getan hätte. Hätte ich dem Bettler etwas gegeben? Oder hätte ich so getan, als sehe ich ihn nicht? Dann wäre ich ja womöglich an Gott vorbeigegangen, sozusagen. Da will ich beim nächsten Mal lieber genau hinsehen. Vielleicht kann ich ihm sogar kurz die Hand geben. Bevor ich etwas hineinlege.